— 354 — Heinicke wiederholt die Sehnsucht nach einem Wirkungskreise in seinem Vaterlande kund. Nach Dresden zurückgekehrt, machte der Offizier den Kurfürsten auf Heinickens Wirken als Taubstummenlehrer auf— merksam. Des Kurfürsten Entschluß war gefaßt. Er berief Heinicke nach Sachsen. Ostern 1778 traf dieser mit 9 taubstummen Zöglingen in seinem Vaterlande ein und eröffnete in Leipzig das erste größere Taubstummeninstitut in Deutschland. Im Jahre 1828 entstand in Dresden ein zweites, damals ein sehr kleines Taubstummeninstitut, das sich gegenwärtig zu einer Anstalt erweitert hat, in welcher 200, in Leipzig 150 taubstumme Kinder Unterricht empfangen, so daß jetzt allen im schulpflichtigen Alter stehenden Taubstummen Gelegenheit geboten ist, einen vollständigen Schulunterricht erhalten zu können. Zu Ende des vorigen Jahrhunderts (1790) starb in Nord- amerika ein Mann, der sich durch seine weisen, edlen Grundsätze die Achtung der ganzen gebildeten Welt erworben hatte. Es war dies Benjamin Franklin. Staunenswerth bleibt es, wie dieser Mann seine Zeit gewissenhaft zu benutzen verstand. Außer seinen Berufs- geschäften widmete er auch einen Theil seiner Zeit der Erforschung der Natur und ihren Erscheinungen; ganz besonders suchte er in das Wesen der Electricität einzudringen. Vielfache Versuche führten ihn zu der Gewißheit, daß die uns umgebende atmosphärische Luft, nament- lich bei Annäherung eines Gewitters, mit Electricität erfüllt sei. Franklin und einige französische Gelehrte gingen nun in ihren Untersuchungen Schritt für Schritt weiter und fanden endlich, daß der Blitz nichts anderes, als ein gewaltig großer electrischer Funken sei. Mit Hilfe von Drachen, dem gewöhnlichen Spielzeuge der Knaben, die Franklin aufsteigen ließ, gelang es ihm, die Electricität in den Gewitterwolken aufzufangen und sie auf die Erde zu leiten. Da der Blitz, dieses electrische Feuer, nur zu oft den Wohnungen der Menschen verderblich wird, so führten jene Versuche den scharfsinnigen Franklin auf den Gedanken, den nach einem Hause niederfahrenden Blitz auf- zufangen und ihn in die Erde zu leiten; mit anderen Worten, das Haus mit einem Blitzableiter zu versehen. Nicht lange ließ die Ausführung dieses Vorschlages auf sich warten. Vor 120 Jahren (1762) ward in Europa, und zwar in England, und 1769 in Deutschland, und zwar in Hamburg, der erste Blitzableiter errichtet. Diesem Beispiele folgte Sachsen im Jahre 1775. In der Zeit von 1699 bis 1760 fuhr der Blitz fünfmal in den hohen Schloßthurm zu Dresden.)) Um neue Gefahren abzuwenden, ließ *) Er ist 100,7 Meter hoch und Sachsens höchster Thurm. Merkwürdig, daß der Blitz einmal den 18. December und einmal den 27. November in denselben einschlug.