— 357 — Handwerksstande und aus den übrigen Klassen der Arbeiter immer neue Kräfte herbei. Jetzt zählt Sachsen gegen 160 Spinnereien mit fast 1 Million Spindeln. Vor ungefähr 600 Jahren lernte Europa eine Krankheit kennen, deren Auftreten die Menschen mit Furcht und Zittern erfüllte. Diese Krankheit waren die Blattern oder die Pocken, die sich bei ihrem Erscheinen dadurch so furchtbar machten, daß sie Tausende von Menschen hinrafften. Wie der Reisende selten aus fernen Gegenden in die Heimat zurückkehrt, ohne nicht irgend ein Andenken mitzubringen, so pflegten auch die heimkehrenden Kreuzzügler nicht mit leeren Händen zurück- zukommen. Ihnen verdanken wir z. B. verschiedene edle Obstsorten und andere feinere Gewächse. Aber sie sind auch, wenn auch ohne ihren Willen, die Urheber manches furchtbaren Uebels in Europa geworden. Durch sie wurden die ebenerwähnten Pocken, welche aus dem Innern Afrikas nach Asien vorgedrungen waren, nach Europa verschleppt. Zuerst trat diese verheerende Krankheit in Spanien, dann in Frankreich auf, und um das Jahr 1500 wurde auch Deutschland mit dieser Plage heimgesucht. Die Pocken gehören zu den Hautkrankheiten. Zunächst ergreift den Patienten ein sehr heftiger Fieberschauer, dann bilden sich am Körper runde, rothe Flecken, endlich Knötchen oder Pusteln, welche sich mit einem pestartigen, ansteckenden Eiter füllen. Uebersteht der Mensch diesen Grad der Krankheit, dann ist er meistentheils gerettet. Ent- weder platzen dann die Pusteln auf, oder vertrocknen und hinterlassen in der Haut gewöhnlich Narben (Pockennarben, Tellen oder Döllen). Diesen furchtbaren Würgengel hoffte man doch in seinem Wüthen etwas beschränken zu können. Man überzeugte sich nämlich, daß sich Blattern nur durch Ansteckung fortpflanzten, und daß diejenigen, welche diese Krankheit glücklich überstanden hatten, in der Regel nicht wieder von derselben befallen wurden. Letztere Wahrnehmung führte denkende Aerzte auf den Versuch, den Gesunden das Menschenblatterngift einzuimpfen und diese Krank- heit künstlich zu erzeugen. Dadurch gewann man folgende Vortheile: Zunächst konnte man diese Einimpfung zu einer günstigen Jahreszeit vornehmen und dann trat die künstlich hervorgerufene Blattern- krankheit nie so bösartig auf. In Europa brachten die Türken die Pockeneinimpfung zuerst in Anwendung, worauf sie in England nach- geahmt wurde; indes allgemein wurde der Gebrauch dieses Schutz- mittels nicht. Der Blatternkrankheit sind, außer den Menschen, auch die Kühe ausgesetzt, bei welchen sich dieselbe an dem Euter zeigt. Eine besondere Art, blaue Blattern genannt, stellen sich namentlich bei frischmelkenden Kühen ein. Im vorigen Jahrhunderte machte ein englischer Arzt,