— 362 — betrauert. Auf dem Gottesacker zu Leubnitz schlummern seine Gebeine, und ein einfacher Leichenstein trägt folgende Inschrift: Dem forschenden Wandrer ein Muster Als Vater, als Gatte, als Freund. Den Lohn seiner Tugend erwartend, Schläft Pahlitzsch in dieser Behausung. Für jeden strebsamen Menschen müßte es niederschlagend sein, sobald große, berühmte Männer nur immer hohen Ständen ent— sprossen wären. Die Geschichte liefert aber eine Menge Beispiele, daß auch aus dem Schoße armer Familien Großes hervorgegangen ist. So erlebte einer der unbemitteltsten Bewohner des Dorfes Blasewitz bei Dresden die große Freude, einen Sohn zu besitzen, der einen europäischen Ruf erhielt. Dieser glückliche Vater war der arme Dorfmusikant Naumann, welcher nur ein Häuschen und ein paar schmale, sandige Felder besaß. Diesem armen Manne ward (den 17. April) 1741 ein Sohn geboren, welcher in der Taufe den Namen Johann Gottlieb erhielt, und bei welchem schon frühzeitig ganz außerordentliche Anlagen zur Musik hervortraten. Noch nicht 12 Jahre alt, spielte dieser Knabe beim Gottesdienste in der Kirche zu Loschwitz die Orgel so vorzüglich, daß sein Vater, von Freude und Rührung ergriffen, laut weinte, und daß die Leute dem jungen Organisten beim Herabsteigen von der Orgelbank ihren Beifall zunickten. Naumanns Vater kannte keinen innigeren Wunsch, als einst in seinem Sohne einen tüchtigen Schullehrer zu erblicken. Anderer Meinung war die Mutter. Nach ihrer Ansicht sollte ihr Sohn ein Handwerk erlernen. Ihr Wille drang für jetzt durch, und der noch nicht dreizehnjährige Knabe ward zu einem Schlosser in die Lehre gebracht. Zu den ersten Verrichtungen des neuen Lehrlings gehörte eine an sich ganz einfache Arbeit, er mußte nämlich Glas zum Löthen stoßen. Sehr bald ward ihm aber der aufsteigende Staub so zuwider, daß er seinen Lehrherrn um eine andere Arbeit bat. Dieser schlug ihm aber seine Bitte rund ab. Nach kurzem Bedenken entlief der junge Naumann seinem Lehrherrn, und es ging schnurstracks nach Hause. Von jetzt an finden wir den Knaben mit der Peitsche in der Hand auf dem Felde bei dem Vieh, das zu hüten er verurtheilt ward; aber immer und immer wieder stieg in des Vaters Seele der Wunsch auf, seinen Sohn einst als Schullehrer wirken zu sehen. Nur mit Widerstreben stimmte endlich die Mutter bei. Zunächst sollte sich der junge Naumann die nöthigen Vorkenntnisse auf der Kreuzschule zu Dresden erwerben. Wohlgemuth wanderte er Tag für Tag, selbst bei Wind und Wetter, jeden Morgen der Stadt zu, nahm in seiner ländlichen Tracht mitten unter den städtisch gekleideten Kreuzschülern Platz und studirte emsig. Seinen musikalischen Anlagen kam es sehr zu statten, daß er einen ganz vorzüglichen Unterricht in der Musik