— 366 — in den „großen Garten“. Hier überfiel ihn ein Schlagfluß. Wahr— scheinlich hatte sich Naumann noch einmal aufgerafft und in der Meinung, den nächsten Weg eingeschlagen zu haben, war er vielleicht von demselben weiter abgekommen und tiefer in den Garten gerathen. Trotz des sorgfältigsten Suchens fand man ihn erst am andern Morgen früh, mit dem Angesichte auf einem Rasenplatze liegend. Rettung war nicht mehr möglich. Der berühmte Kapellmeister ver— schied den 23. Oktober 1801. Wie er gewünscht, fand er seine letzte Ruhestätte an der Seite seiner guten Eltern, die merkwürdigerweise beide im 60. Lebensjahre am Schlagflusse gestorben waren. 94. Friedrich August schlägt die polnische Königskrone aus. — Die Zauernunruhen. Sich selbst beherrschen ist der größte Sieg. Diese Wahrheit ist leichter ausgesprochen, als geübt. Unser Kurfürst lieferte in dem Jahre 1791 einen Beweis von Selbstbeherrschung, welcher die all- gemeinste Bewunderung verdient und wodurch er in der Achtung von ganz Europa stieg. Zwei seiner Regierungsvorgänger, August der Starke und dessen Sohn, Friedrich August II., hatten mit Hilfe ihrer und fremder Truppen und mit Aufbietung hoher Geldsummen die polnische Königskrone erlangt. Nie hatte Friedrich August der Gerechte ein Verlangen nach dieser unglücklichen Krone gezeigt, und doch sollte sein Haupt mit derselben geschmückt werden. Mächtiger als Truppen, mächtiger als Geld hatten die Mittel gewirkt, durch welche er jenen Thron erlangen sollte. Der Ruf von seiner Gerechtigkeit, Weisheit und Gewissenhaftigkeit war auch zu den Polen gedrungen, und sie glaubten das Geschick ihres unglücklichen Landes keinen besseren Händen anvertrauen zu können, als den des sächsischen Kurfürsten Friedrich August des Gerechten. Noch mehr, die Polen hatten sich entschlossen, das Wahlreich in ein erbliches Königreich umzuschaffen. Im Jahre 1791 erschienen in Dresden Abgesandte der polnischen Nation, an ihrer Spitze ein einflußreicher Fürst (Czartoriski), und boten unserm Kurfürsten den Thron ihres Reiches erblich an. Da Friedrich August keinen Sohn, sondern nur eine Tochter, die Prinzessin Auguste, besaß, so sollte später die polnische Krone auf diese übergehen. Gewiß hatte dieses Anerbieten etwas Verlockendes, und mancher andere Fürst würde, von dem Schimmer der ihm entgegengebrachten Krone geblendet, dem Wunsche der polnischen Nation ohne Bedenken gewillfahrt haben. Nicht so unser Kurfürst. Er zog die Möglichkeit in reifliche Erwägung, ob dieser Besitz nicht den Erblanden, wie bereits unter seinen Vorgängern, zum Unheil und Verderben gereichen