— 403 — zu reden. Thatsachen muß man nehmen, wie sie sind, mögen sie unsern Ansichten und Wünschen entsprechen oder nicht. Auch bei Leipzig bewährte Napoleon sein außerordentliches Genie, was selbst die Sieger unbestritten anerkannten. Nachdem das Schlachtengetöse verstummt war, ließen sich einiger- maßen die ungeheueren Opfer überschauen, welche dieser Völker- kampf gekostet hatte. Daß diese bei den fliehenden Franzosen nicht genau ermittelt werden konnten, ist natürlich. Nach einer ungefähren Annahme betrug ihr Gesammtverlust 60 000 Mann, von welchen 20 000 dem Sieger als Gefangene in die Hände gefallen und 23.000 als Kranke in den Lazarethen zurückgeblieben waren. Alles Uebrige war todt. Die Verbündeten zählten 4 Generäle, 793 Offiziere, gegen 50 000 Unteroffiziere und Gemeine als Todte und Verwundete. Leipzigs Umgebung glich einem großen Leichengefilde. Vierzehn Tage vergingen, ehe man das traurige Geschäft der Leichenbestattung gänzlich beendigen konnte. Nicht selten wurden Menschen und Pferde in eine Grube geworfen. Bildete Leipzigs Umgebung ein Leichengefilde, so glich die Stadt einem großen Kranken= und Leichenhause. Trotz aller Anstrengungen war es nicht möglich, die 30 000 Mann Franzosen und Verbündete (von den letzteren waren viele in andere Ortschaften gebracht worden) in den nach und nach errichteten 56 Lazarethen unterzubringen und ihnen wenigstens die nothdürftigste Pflege angedeihen zu lassen. Manche krochen tagelang auf den Straßen umher, durchsuchten, vom Heißhunger gequält, die Kehrichthaufen und nagten an weggeworfenen Knochen. Ein Bissen trockenes Brot wäre für sie ein Labsal gewesen, aber man konnte ihnen auch dieses sehr oft nicht reichen, da selbst die wohlhabendsten Leute nicht im Stande waren, ein Stückchen Brot gegen schweres Geld zu erlangen. Kein Wunder, daß in den über- füllten Spitälern das Nervenfieber um sich griff und in die Häuser der Bürger eindrang. Hier hielt der Tod eine furchtbare Nachernte. Unser sonst so reich gesegnetes Leipzig war eine Wohnstätte des tiefsten Elendes und der bittersten Trauer geworden. Fast noch größeres Elend war über die Bewohner der um- liegenden Dörfer hereingebrochen. Ihre Wohnungen waren in Schutt- haufen verwandelt, ihr Vieh war entweder geraubt, oder elendiglich umgekommen, und ihr Hausgeräth entweder zertrümmert oder von den Flammen verzehrt worden. Das arme Sachsenland blutete aus allen Wunden, und dabei war seinen Bewohnern auch noch der Trost geraubt, daß es dem Vater dieses Landes nicht seine Noth klagen, daß es seinen Trost, seinen Rath und seine Hilfe nicht erlangen konnte. Indes die treuen Sachsen ertrugen das Unvermeidliche mit stiller Ergebung und brachten willig neue Opfer, erfüllte doch alle die Hoffnung, den geliebten 26“