— 421 — unberührt ließen. Hierzu kam, daß gewisse Leute die Unzufriedenen noch mehr aufstachelten, daß sie vieles entstellten und übertrieben. Absichtlich schürte man das im Stillen glimmende Feuer der Un— zufriedenheit immer mehr an, und man machte sich kein Gewissen daraus, oft die unlautersten Mittel in Anwendung zu bringen. Namentlich rief man das alte Mißtrauen zwischen Evangelischen und Katholiken wieder wach. Theilweise gaben die evangelischen Behörden, ohne es vielleicht zu beabsichtigen, selbst Veranlassung hierzu. Am 25. Juni 1830 waren nämlich dreihundert Jahre seit Uebergabe der Augsburgischen Confession verflossen. Mit dem größten Mißvergnügen nahm die evangelische Bevölkerung Sachsens wahr, daß manche Behörden gar keine ernstlichen Anstalten zur herannahenden Jubelfeier trafen. Sollte dies wirklich hier und da aus Rücksicht gegen den katholischen Landesvater geschehen sein, so wäre dies ein höchst tadelnswerthes Verfahren gewesen; denn dieser war weit ent- fernt, die kirchlichen Freiheiten seiner evangelischen Unterthanen zu beschränken; er sprach sogar selbst seine Verwunderung über Unter- lassung mancher Festlichkeiten aus. Am Jubelfeste selbst fand jene Unzufriedenheit namentlich in Leipzig und Dresden neue Nahrung. In jener Stadt beabsichtigten die Studenten in ihren Uniformen einen Festzug zu veranstalten, was die Polizei unklugerweise verbot. In Dresden murrte man darüber, daß bei der veranstalteten Illumination das Rathhaus nicht mit erleuchtet war. Auf einmal verbreitete sich unter der auf den Straßen wogenden Menge das Gerücht, daß Katholiken zum Fenster heraus gemeine Gassenlieder gesungen hätten, und daß man Luthers und Melanchthons Büste habe entehren wollen, und dies reichte hin, die Menge so zu erhitzen, daß es zu tumultuarischen Auftritten kam. Da der Polizei die Herstellung der Ruhe nicht gelang, so mußte das Militär einschreiten. Noch ernsterer Natur waren die Vorgänge in Leipzig; doch nach einiger Zeit beruhigten sich die Gemüther scheinbar wieder. Wie aber die unter der Asche glimmenden Funken oft nur eines kleinen Luftzuges bedürfen, um zur hellen Flamme aufzulodern, so verhielt es sich auch mit dem gedämpften Feuer des Aufruhrs. Zu Anfang des Monats September kam es zu neuen, und zwar ernsteren Ausbrüchen. In Dresden erstieg man das Rathhaus und warf verschiedene Schriften und Geräthschaften auf die Straße und ver- brannte sie. Hierauf drang man in das Polizeihaus ein und zerstörte dies größtentheils. Diesem Thun und Treiben mußte natürlich Einhalt gethan werden, und die Bürgerschaft erbot sich aus eigenem Antriebe, für Wiederherstellung der Ruhe Sorge zu tragen. Alle wohlgesinnten Bürger, Männer und Jünglinge schlangen um den linken Arm eine weiße Binde und eilten in das Zeughaus, um sich zur Dämpfung