— 4833 — Im Jahre 1835 erschien ein Gesetz, welches jener Wahrheit entsprach und das Stadt- und Landschulwesen weit genauer ordnete, als es früher geschehen war. In demselben wurde unter anderem festgesetzt, daß jedes Kind in der Regel die Schule von seinem 6. bis zu seinem 14. Lebensjahre, im Sommer, wie im Winter, ununter- brochen zu besuchen hat. Nur bei kränklichen, gebrechlichen und geistes- schwachen Kindern ist eine Ausnahme zu machen. Kein Kind soll zur Confirmation zugelassen werden, sobald es nicht im Lesen, Schreiben und Rechnen wohlgeübt ist und eine deutliche Kenntniß des Christenthums und der Bibel erlangt hat. Vor Entlassung aus der Schule darf kein Knabe als Handwerkslehrling angenommen werden. Blos bei Schornsteinfegern ist eine Ausnahme gestattet. Diese können nach vollendetem 10. Lebensjahre als Lehrling eintreten. Ebenso kann bei großer Armuth ein Kind in Dienst gehen, nur muß es ebenfalls das 10. Lebensjahr erreicht haben und darf, was auch von dem Schornsteinfegerlehrling gilt, nicht ohne Schulunterricht bleiben. Ohne dringende Ursachen darf kein Kind die Schule versäumen. Treten Schulversäumnisse ohne Noth ein, so muß die Ortsschulbehörde gegen die Eltern oder sonstigen Erzieher einschreiten. Fruchten Er- innerungen nichts, so werden die Schuldigen mit Geld= oder mit Gefängnißstrafe belegt. Versäumt ein Kind ohne Wissen und Willen seiner Eltern den Unterricht, so hat der Lehrer eine Schulstrafe zur Besserung des Kindes anzuwenden. Bis zum Jahre 1835 bestand hier und da auf dem Lande eine recht unvollkommene Schuleinrichtung. Waren in ein Kirchdorf viele Ortschaften eingepfarrt, so besaßen manche von den letzteren eine eigene Schule. Die in solchen Gemeinden angestellten Lehrer hießen „Katecheten“ oder auch „Kinderlehrer"“. Ihre Schulen befanden sich meistentheils in einem sehr mangelhaften und kümmerlichen Zustande. An vielen Orten, namentlich in kleineren Dörfern, fehlte es nämlich an einem Schulhause. Der Reihe nach mußten die Bauern, gewöhn- lich eine Woche lang, die Schulkinder in ihre Stube aufnehmen. In demselben Raume, in welchem die Hausfrau und die Mägde die häus- lichen Arbeiten verrichteten, unterwies der Lehrer die Dorfjugend. Daß es dabei nicht ohne vielfache Störungen abging, daß es z. B. beim Schreiben sehr oft an zweckmäßigen Plätzen fehlte, und daß für die Lehrmittel oft kein Raum vorhanden war, liegt auf der Hand. Außerdem hatte derselbe Bauer, dessen Stube zum Lehrzimmer benutzt wurde, den Lehrer gewöhnlich auch in derselben Woche zu beköstigen. An vielen Orten war ferner der Kinderlehrer von der Gemeinde so abhängig, daß er von dieser wieder entlassen werden konnte. Durch das Schulgesetz von 1835 wurde diesen höchst unvoll- kommenen Einrichtungen mit einem Male ein Ende gemacht. Jede Schule wurde zu einer selbstständigen Anstalt erhoben, in welcher Geschichte Sachsens. 28