— 487 — zu fördern. Ebenso wurde es den künftigen Kaufleuten, Fabrik— besitzern, Baumeistern, Landwirthen r2c. ermöglicht, sich in Handels-, Gewerbe-, Real-, Bauschulen rc. eine höhere Bildung anzueignen. Unter dem Arbeiterstande, sowie unter dem Volke überhaupt, ver- breitete man nützliche Volksschriften, hielt belehrende Vorträge 2c. Sehr natürlich, daß sich die Wirkungen der vorgeschrittenen Bildung nach allen Lebensrichtungen hin äußerten. Früher hielt es gar schwer, Verbesserungen in der Landwirthschaft, im Hauswesen, in manchen Gewerben anzubringen. Man ließ alles beim alten. Was vom Großvater auf den Sohn und Enkel übergegangen war, hielt man mit Ehrfurcht, oft auch mit Eigensinn fest. Das 19. Jahr- hundert hat vieles aus der alten Zeit Ererbte aufgegeben. — Der Aberglaube, welcher überall gespensterhafte Erscheinungen sah, welcher aus Spielkarten, aus dem Handteller rc. sein künftiges Schicksal er- kennen wollte, oder es sich von Betrügern offenbaren ließ, erhielt im 19. Jahrhunderte den Todesstoß. — Die Geringschätzung, mit welcher manche auf gewisse Handwerker, auf gewisse Stände, auf die Bauern herabblickten, wurde zu einer immer größeren Seltenheit. Wer wollte sich über diese Erscheinungen nicht freuen! Wer wollte nicht auch in dieser Hinsicht mit Freuden ausrufen: Siehe, das Alte ist vergangen; es ist alles neu geworden! Und doch hört man so oft klagen, daß die Menschen in diesem Jahrhunderte schlechter, als früher seien; daß einer den andern zu hintergehen, einer den andern zu schaden suche; daß die Zahl der Selbstmörder, der Diebe, der Verbrecher aller Art mit jedem Jahre wachse; daß viele Jahr aus Jahr ein kein Gotteshaus besuchen, zu keinem Abendmahle gehen; daß die Zahl der Ungläubigen, der Gottesleugner immer größer werde. Zugegeben, daß manche Klagen übertrieben sein mögen, und zugegeben, daß man zu allen Zeiten über Zunahme der Schlechtigkeit der Menschen geklagt hat, so steht doch so viel fest, daß in dem jetzigen Jahrhundert hauptsächlich die Verstandesbildung gepflegt wird. Gott hat uns aber nicht blos den Verstand, sondern auch ein Herz, ein Gemüth gegeben. Geht dieses leer aus, dann giebt es wohl kluge, gescheite, aber nicht immer fromme und gottes- fürchtige Menschen. Christliche Menschenfreunde, welche jene ein- seitige Bildung als ein Gebrechen des 19. Jahrhunderts erkannten, und denen das wahre Wohl, das ewige Heil ihrer Mitmenschen am Herzen lag, traten zu Vereinen zusammen, um hier helfend einzugreifen. Diese Gesammtthätigkeit ist unter dem Namen „innere Mission“ bekannt; eine Erscheinung, die namentlich dem 19. Jahrhunderte angehört. Eine ganz neue, wenn auch nicht immer eine bessere Gestalt nahm im 19. Jahrhunderte das Familienleben an. Versammelte früher der Familienvater auf dem Lande und in kleinen Städten die