— 489 — frühere Zeit, allein die weitere Ausbildung dieser großartigen Er— findung und dies alles umgestaltenden Folgen derselben sind das Eigenthum des 19. Jahrhunderts. Was z. B. früher Tausende von Menschenhänden in einer gewissen Zeit zu spinnen vermochten, lieferte eine einzige Spinnfabrik in gleicher Zeit. In den verschiedensten Gegenden unsers Vaterlandes entstanden in diesem Jahrhunderte die großartigsten Fabriken für Spinnerei, Weberei, Druckerei, Färberei, ferner Fabriken für Eisen= und Metallwaaren, für Maschinen 2c. Sehr natürlich beeinträchtigte das Fabrikwesen manche Gewerbs- thätigkeit im Hause. Der Einzelne konnte mit seiner Hände Arbeit neben den außerordentlichen Leistungen der Fabriken gar nicht mehr bestehen. Er mußte entweder einen andern Erwerbszweig aufsuchen, oder als Arbeiter in eine Fabrik eintreten. Wie hier alles im großen Maßstabe betrieben wird, so sind auch die Folgen von außer- ordentlicher Tragweite, sobald eine Geschäftsstockung eintritt. Mußte früher ein Einzelner sein Gewerbe einstellen, so berührte dies zunächst nur ihn und seine Familie. Werden jetzt die Fabrikarbeiter brotlos, so zieht mit Einem Tage und meist an Einem Orte Mangel und Elend in Hunderte von Familien ein. Das Streben, alles massenhaft zu fabriciren und mit großen Kapitalien Unternehmungen ausführen zu wollen, die für die Einzelnen unausführbar bleiben, rief eine Erscheinung ins Leben, die haupt- sächlich unserem Jahrhunderte angehört. Mit Genehmigung der Staatsbehörden bildeten sich Gesellschaften — Aktiengesellschaften — welche zur Ausführung eines großen Handels= oder Fabrikgeschäfts oder eines Eisenbahn= oder Dampfschiffahrts-Unternehmens große Kapitalien aufbrachten und dann den Gewinn verhältnißmäßig an die Theilnehmer — Aktionäre — vertheilten. Auf diese Weise ist z. B. die Leipzig-Dresdner Eisenbahn, die Dampfschiffahrt auf der Elbe, es sind ferner große Brauereien, Papierfabriken, Spinnereien rc. entstanden. Da sich bei derartigen großen Unternehmungen der Erfolg im voraus mit Bestimmtheit nicht berechnen läßt, so nahmen manche Aktienunternehmungen ein klägliches Ende und brachten den Aktionären anstatt des Gewinnes die bittersten Verluste. Der Zusammentritt einer Anzahl Personen zur Erreichung irgend eines Zweckes ließ in unserem Jahrhunderte eine so große Anzahl Vereine entstehen, wie eine derartige Erscheinung früher nur selten vorkam, so daß man unsere Zeit sogar das Jahrhundert der Vereine genannt hat. Abgesehen von den verschiedenen politischen Vereinen und den bereits erwähnten Aktiengesellschaften dürfte in den gesellschaftlichen Verhältnissen kaum irgend etwas von allgemeiner Bedeutung aufzufinden sein, was nicht durch Vereine gefördert worden wäre oder doch wenigstens gefördert werden sollte. So ent- standen z. B. Vereine zur Bildung von Kassen für Krankheits-, für