— 28 — Um den Prinzen aus diesem Gedankengange los zu machen, bemerkte Bismarck: „Wir haben absolut keinen eigenen Kriegsgrund gegen Rußland und kein Interesse an der orien- talischen Frage, das einen Krieg mit Rußland oder auch nur das Opfer unfrer langjährigen guten Beziehungen zu Rußland rechtfertigen könnte. Im Gegenteil, jeder siegreiche Krieg gegen Rußland unter unsrer nachbarlichen Beteiligung beladet uns nicht nur mit dem dauernden Revanchegefühl Rußlands, das wir ohne eignen Kriegsgrund angefallen, sondern zugleich mit einer sehr bedenklichen Aufgabe, nämlich die polnische Frage in einer für Preußen erträglichen Form zu lösen. Wenn eigene Interessen keinenfalls für, eher gegen einen Bruch mit Rußland sprechen, so würden wir den bisherigen Freund und immerwährenden Nachbar, ohne daß wir provoziert wären, entweder aus Furcht vor Frankreich oder im Liebesdienste Englands und Oesterreichs angreifen. Wir würden die Rolle eines indischen Vasallenfürsten übernehmen, der im englischen Patronat englische Kriege zu führen hat, oder die des York'- schen Korps beim Ausmarsch zum Kriege 1812, wo die damals berechtigte Furcht vor Frankreich uns zu dessen gehorsamen Bundesgenossen zwangsweise gemacht hatte.“ Den Prinzen verletzte Bismarcks Ausdruck, mit zorniger Röte unterbrach er ihn mit den Worten: „Von Vasallen und Furcht ist hier gar keine Rede.“ Er brach aber die Unter- redung nicht ab. Potsdam, den 10. Junuar 1855. Unterredung mit dem General-Adjutanten von Gerlach, betreffend die Stellung zu den Westmächten in der orientalischen Frage.) Bismarck entschuldigte sich dem Generaladjutanten v. Ger- lach gegenüber wegen seines Bonapartismus: „Ich bin der *.) v. Gerlach, „Denkwürdigkeiten“, Bd. II S. 268.