VBom 31. März 1878. 141 War eine Ordnungsstrafe verhängt (§. 98), so findet eine Wiederaufnahme des eingestellten Disziplinarverfahrens nicht statt. 8. 100. Die Einstellung des Verfahrens muß erfolgen, sobald der An- geschuldigte seine Entlassung aus dem Reichsdienste mit Verzicht auf Titel, Gehalt und Pensionsanspruch nachsucht, vorausgesetzt, daß er seine amtlichen Geschäfte be- reits erledigt und über eine ihm etwa anvertraute Verwaltung von Reichsvermögen vollständige Rechnung gelegt hat. Die Verhängung einer Ordnungsstrafe ist in diesem Falle nicht zulässig. Die Kosten des eingestellten Verfahrens (§. 124) fallen dem Angeschuldigten zur Last. #8. 101. Beschließt die oberste Reichsbehörde1) die Verweisung der Sache vor die Disziplinarkammer, so wird der Angeschuldigte nach Eingang einer von dem Beamten der Staatsanwaltschaft anzufertigenden Anschuldigungsschrift unter abschrift- licher Mittheilung der letzteren zu einer von dem Vorsitzenden der Disziplinar- kammer zu bestimmenden Sitzung zur mündlichen Verhandlung vorgeladen. Der Angeschuldigte kann sich des Beistandes eines Advokaten oder Rechtsanwalts als Vertheidigers bedienen. Dem Letzteren ist die Einsicht der Voruntersuchungs- Akten zu gestatten. #8. 102. Die mündliche Verhandlung findet statt, auch wenn der Angeschuldigte nicht erschienen ist. Derselbe kann sich durch einen Advokaten oder Rechtsanwalt vertreten lassen. Der Disziplinarkammer steht es jedoch, sofern der Angeschuldigte seinen dienstlichen Wohnsitz im Deutschen Reiche hat, jederzeit zu, das persönliche Er- scheinen des Angeschuldigten unter der Warnung zu verordnen, daß bei seinem Aus- bleiben ein Vertheidiger zu seiner Vertretung nicht werde zugelassen werden. §. 103. Die mündliche Verhandlung ist öffentlich. Die Oeffentlichkeit kann aus besonderen Gründen auf den Antrag des Angeschuldigten, des Beamten der Staats- anwaltschaft oder von Amts wegen durch Beschluß der Disziplinarkammer aus- geschlossen oder auf bestimmte Personen beschränkt werden. Die Gründe der Aus- 7 oder Beschränkung der Oeffentlichkeit müssen aus dem Sitzungsprotokoll ervorgehen. 8. 104. Bei der mündlichen Verhandlung wird der wesentliche Inhalt der Anschuldigungsschrift von dem Beamten der Staatsanwaltschaft mündlich vorgetragen. Der Angeschuldigte wird vernommen. Gesteht derselbe die den Eegenftand der An- schuldigung bildenden Thatsachen ein und walten gegen die Glaubwürdigkeit seines Geständnisses keine Bedenken ob, so beschließt die Disziplinarkammer, daß eine Beweisverhandlung nicht stattfinde. Andernfalls giebt ein von dem Vorsitzenden der Disziplinarkammer aus der Zahl der Mitglieder ernannter Berichterstatter auf Grund der bisherigen Verhand- lungen eine Darstellung der Beweisaufnahme, soweit sie sich auf die in der An- schuldigungsschrift enthaltenen Anschuldigungspunkte bezieht. Zum Schluß wird der Beamte der Staatsanwaltschaft mit seinem Vor= und Antrage und der Angeschuldigte mit seiner Vertheidigung gehört. Dem Angeschul- digten steht das letzte Wort zu. §. 105. Wenn die Disziplinarkammer vor oder im Laufe der mündlichen Verhandlung auf den Antrag des Angeschuldigten oder des Beamten der Staats- anwaltschaft, oder von Amts wegen die Vernehmung von Zeugen, sei es vor der Disziplinarkammer oder durch einen beauftragten Beamten, oder die Herbeischaffung anderer Beweismittel für angemessen erachtet, so erläßt sie die erforderliche Ver- fügung und verlegt nöthigenfalls die Fortsetzung der Verhandlung auf einen anderen Tag, welcher dem Angeschuldigten bekannt zu machen ist. 1) S. unten 8 159.