194 Nr. 77. Geschäftsordnung für den Reichstag. Kommissarien müssen auf ihr Verlangen zu jeder Heit gehört werden. Auch den Assistenten muß auf Verlangen der Mitglieder des Bundesraths oder ihrer Vertreter das Wort ertheilt werden. * 44. Sofortige Zulassung zum Worte können nur diejenigen Mitglieder verlangen, welche über die Verweisung zur Geschäftsordnung reden wollen. Persönliche Bemerkungen sind erst nach dem Schlusse der Debatte oder im Falle der Vertagung derselben am Schlusse der Sitzung gestattet. Faktische Bemerkungen sind unzulässig. 45. Die Redner sprechen von der Rednerbühne oder vom Platze. Den Mitgliedern des Reichstages ist das Vorlesen schriftlich abgefaßter Reden nur dann gestattet, wenn 8 der Deutschen Sprache nicht mächtig sind. 8. 46. Der Präsident ist berechtigt, die Redner auf den Gegenstand der Verhandlung zurückzuweisen und zur Ordnung zu rufen (§. 60). Ist das Eine oder das Andere ½ in der nämlichen Rede zwei Mal ohne Erfolg geschehen und fährt der Redner fort, sich vom Gegen- stande oder von der Ordnung zu entfernen, so kann die Versammlung auf die Anfrage des Präsidenten ohne Debatte beschließen, daß ihm das Wort über den vorliegenden Gegenstand genommen werden solle, wenn er zuvor auf diese Folge vom Präsidenten aufmerk sam gemacht ist. . Bei allen Diskussionen ertheilt der Präsident demjenigen Mitgliede das Wort, welches nach Eröffnung der Diskussion oder nach Beendigung der vorhergehenden Rede zuerst darum nachsucht. Z 48. Nimmt ein Vertreter des Bundesraths nach dem Schlusse der Diskussion das Wort, so gilt diese aufs Neue für eröffnet. Antragsteller und Berichterstatter erhalten, wenn sie es verlangen, das Wort sowohl am Beginn wie nach dem Schlusse der Diskussion. e) Abänderungs-Vorschläge und Anträge auf motivirte Tagesordnung. 8. 49. Abänderungs-Vorschläge (Amendements) oder Anträge auf motivirte Tagesordnung können zu jeder Zeit vor dem Schlusse der Verhandlungen gestellt werden. Dieselben müssen mit der Hauptfrage in wesentlicher Verbindung stehen und werden dem Präsidenten schriftlich übergeben. 8. 50. Ueber Amendements und Anträge auf motivirte Tagesordnung, welche dem Reichstage nicht gedruckt vorgelegen haben, muß, sofern sie angenommen werden, in der nächsten Sitzung nach deren erfolgtem Drucke und Vertheilung nochmals ohne Diskussion abgestimmt werden. Dies findet auch dann Anwendung, wenn solche Amendements oder Anträge bereits in dem Kommissions-Bericht als Minoritäts-Anträge erwähnt sind. Bilden die angenommenen Amendements einen Theil der dem Reichstage vorzulegenden gedruckten Zusammenstellungen (§8. 19 und 20), so bedarf es eines besonderen Abdruckes derselben nicht. In diesem Falle muß der Abstimmung über das Ganze eine nochmalige Abstimmung über diejenigen angenommenen Anträge vorhergehen, welche dem Reichstage noch nicht gedruckt vorgelegen haben. Bei Amen- dements zu Petitions-Berichten ist eine wiederholte Abstimmung jedoch nur dann erforderlich, wenn ein besonderer Antrag hierauf gestellt und von wenigstens 50 Mitgliedern unterstützt wird. Neue Amendements sind dann nicht mehr zulässig. 1) Schluß der Debatte. 8. 51. Der Präsident stellt die Fragen; über die Stellung derselben kann das Wort begehrt werden. Der Reichstag beschließt darüber. Sind mehrere Fragen vorhanden, so hat der Präsident solche sämmtlich der Reihenfolge nach vorzulegen. Die Fragen sind so zu stellen, daß sie einfach durch Ja oder Nein beantwortet werden können. Bei Stimmengleichheit wird die Frage als verneint angesehen. §. 52. Die Theilung der Frage kann jeder Einzelne verlangen. Wenn über deren ulässigkeit Zweifel entstehen, so entscheidet bei Anträgen der Antragsteller, in allen anderen Fällen der Reichstag. 8. 53. Der Antrag auf die Vertagung oder auf den Schluß der Debatte bedarf der Unterstützung von 30 Mitgliedern. Wenn solche erolgt, so wird demnächst ohne weitere Moti- virung des Antrages und ohne Diskussion über denselben abgestimmt. Der Antrag auf einfache Tagesordnung kann zu jeder Zeit gestellt werden und bedarf keiner Unterstützung. Nachdem ein Redner für und ein Redner gegen denselben gehört worden, erfolgt darüber der Beschluß der Versammlung. Im Laufe derselben Diskussion darf der einmal verworfene Antrag auf Tagesordnung nicht wiederholt werden. Die Anträge auf motivirte Tagesordnung (§. 49) sind vor den übrigen Amendements zur Abstimmung zu bringen. Ueber Anträge des Bundesraths kann nicht zur Tagesordnung übergegangen werden. — — —— — — S Ge e gesperrt gedruckten Worte nach dem RTagsbeschl. v. 22. Mai 1872 (Sten. Ber.