126 Art. 99. Bei mangelnder Kenntniß des Strafgesetzes. Mangelnde Kenntniß des Gesehes schließt die gesetzliche Strafe nicht aus; eine Ausnahme findet nur Statt, wenn sich aus besonderen Umständen die völlige Schuld- losigkeit einer solchen Unkunde ergeben sollte. Art. 100. Beim Irrthum über Thatsachen. Wer eine an sich erlaubte Handlung zu begehen glaubt, während seine Handlung wegen ihm unbekannter Thatumstände strafbar ist, dem kann dieselbe zum WVorsahe nicht zugerechnet werden. Wer eine strafbare Handlung unternimmt, deren Strafbarkeit durch gewisse, ihm unbekannte Thatverhältnisse vermehrt wird, dem ist solche That nur so weit zum Vorsaße zuzurechnen, als sie, nach den ihm bebannten Thatverhältnissen, in seiner Absicht gegründet war. Art. 101. Bei mangelnder Freiheit. Handlungen, zu welchen Jemand durch unwiderstehliche körperliche Gewalt ge- nöthigt worden ist oder durch Drohungen, die mit einer gegenwärtigen, und anders nicht abzuwendenden, Gefahr für Leib oder Leben des Genöthigten selbst, oder seiner Verwandten in auf= und absteigender Linie, seines Ehegatten oder seiner Geschwister, verbunden waren, unterliegen keiner Zurechnung. Bei der Nothwehr. Art. 102. Die Selbstvertheidigung in Fällen, wo ein rechtswidriger und dringender Angriff nicht durch obrigkeitliche Hülfe abgewendet werden kann, ist erlaubt: 1) gegen alle gewaltthätige, mit Gefahr für Leben, Gesundheit, Freiheit, oder Ehre verbundene Angriffe auf die Person selbst; 2) gegen Gewaltthaten, welche auf Beschädigung, Hinwegnahme oder Vernichtung des liegenden oder beweglichen Eigenthumes gerichtet sind, worunter auch der Fall des mit der gestohlenen Sache entlaufenden Diebes begriffen ist; 5) gegen Denjenigen, welcher in eines Andern Besitzthum gewaltthätig einzufallen, einzubrechen, oder sonst auf unerlaubte Weise einzudringen sucht.