— 439 — Die Landeszentralbehörden sind ermächtigt, die Saatgutmengen bei dringendem wirtschaftlichen Bedürfnis für einzelne Betriebe oder ganze Bezirke bis zu einer von der Reichsgetreidestelle zu bestimmenden Grenze zu erhöhen. Als Selbstversorger gelten, vorbehaltlich einer anderen Bestimmung nach § 63, der Unternehmer des landwirtschaftlichen Betriebs, die Angehörigen seiner Wirtschaft einschließlich des Gesindes sowie Naturalberechtigte, soweit sie als Lohn oder als Leibgedinge (Altenteil, Auszug, Ausgedinge, Leibzucht) Früchte der in Frage kommenden Art oder daraus hergestellte Erzeugnisse zu beanspruchen haben. § 9 Der Reichskanzler erläßt die Bestimmungen über den Verkehr mit Saat- gut. Das nach Maßgabe dieser Bestimmungen erworbene Saatgut darf bis zu den im § 8 Abs. 1 Nr. 3 für selbstgebautes Saatgut festgesetzten Mengen zur Bestellung verbraucht werden. § 10 Trotz der Beschlagnahme dürfen Unternehmer landwirtschaftlicher Betriebe, vorbehaltlich näherer Bestimmungen nach § 63 Abs. 2, aus ihrem selbstgebauten grünen Dinkel und Spelz Grünkern herstellen. Die Beschlagnahme erstreckt sich auf den Grünkern. Hiervon dürfen sie zur Ernährung der Selbstversorger auf den Kopf insgesamt bis zu drei Kilogramm verbrauchen. Die Unternehmer haben die hergestellten Mengen unverzüglich, spätestens bis zum 15. August 1918, dem Kommnnalverband anzuzeigen. In der Anzeige sind die Anzahl der Selbstversorger und die für diese nach Abs. 1 Satz 3 beanspruchten Mengen anzugeben. § 11 Trotz der Beschlagnahme dürfen Unternehmer landwirtschaftlicher Betriebe selbstgebautes Gemenge (Mischfrucht, Mengkorn), mit Ausnahme von Mischungen, die nur aus Brotgetreide bestehen, sowie selbstgebauten Mais und selbstgebaute Lupinen vor der Reife als Grünfutter im eigenen Betriebe verbrauchen. § 12 Die Beschlagnahme endet mit dem freihändigen Eigentumserwerbe durch die Reichsgetreidestelle oder den Kommunalverband, für den die Vorräte beschlag- nahmt sind, mit der Enteignung oder mit der Verfallerklärung § 72). Wer im Auftrag der Reichsgetreidestelle, eines Kommunalverbandes oder einer Gemeinde Früchte oder daraus hergestellte Erzeugnisse zu erwerben, auf- zubewahren, zu bearbeiten, zu befördern oder zu verteilen hat, darf nur solche Rechtsgeschäfte über die Vorräte abschließen und nur solche Verfügungen über sie treffen, die von seinem Auftraggeber zugelassen sind. Dies gilt auch, soweit der Beauftragte Eigentümer der Vorräte ist.