12 Erster Abschnitt. (8. 1.) es als Zwangsinstitution des Staates, ist er Träger von öffentlichen Pflichten geworden und darf diese nicht ohne Zustimmung des Berechtigten, des Staates, einseitig aufgeben. Unter diesen aus dem Begriff der Selbstverwaltung gewonnenen Begriff des Selbst- verwaltungskörpers fallen nach heutigem Rechte nicht nur die Kommunalverbände in ihren verschiedenen Abstufungen, sondern auch eine große Anzahl anderer, durch das öffentliche Recht korporativ organisierter Verbände 1, die man in solche mit Beitritts- zwang, Zwangsvirbände, und in solche ohne Beitrittszwang, einfache „öffentlich regulierte“ Verbände, teilen kann.? Zu ersteren gehören außer den Kommunalverbänden besonders die sogen. Verwaltungsgemeinden wie Armen-, Schul= und Wegeverbände, die Deich- verbände 3, die Fischereigenossenschaften, die Knappschaftsvereine?, die nach Maßgabe der Reichsgesetze gebildeten Berufsgenossenschaften der Unfallversicherung, Orts-, Betriebs- und Baukrankenkassen und die Versicherungsanstalten der Invaliditäts= und Alters- versicherung. Unter der besonderen Voraussetzung der Zustimmung eines Teiles der Beteiligten können ferner als Zwangsverbände gebildet werden: Ent= und Bewässerungs- genossenschaften nach dem Gesetz v. 1. April 1879“, Waldgenossenschaften nach dem Waldschutzgesetz v. 6. Juli 18757 und gewisse Deichverbände, welche nicht zur Ab- wendung gemeiner Gefahr, sondern nur zur Förderung der Landeskultur dienen, nach dem Gesetze v. 11. April 1872.“ Zu den öffentlich regulierten Verbänden gehören dagegen vor allem die öffentlichen Wassergenossenschaften ohne Beitrittszwang, die Innungen, die korporierten Innungsverbände, die eingeschriebenen Hilfskassen. — Sie alle stimmen darin überein, daß sie in einem besonderen Pflichtverhältnis zum Staate stehen und demzufolge einer besonders gearteten Aufsicht desselben unterstellt sind, sie alle sind in weiterem oder geringerem Umfange zur selbständigen Erledigung von Staatsaufgaben berufen, der Staat ist innerhalb ihrer Wirkungskreise auf ihre Thätigkeit angewiesen, und sie erscheinen daher alle in gleicher Weise als Selbstverwal- tungskörper und integrierende Bestandteile des staatlichen Organismus, ihre innere, wenigstens in ihren Grundzügen stets durch das öffentliche Recht geregelte Organisation erscheint als Ausläufer der Organisation des Staates selbst. Daraus ergiebt sich die Unrichtigkeit der Ansicht, daß die Begriffe Selbstverwaltung und Selbstverwaltungskörper, wenn sie überhaupt einen juristischen Inhalt haben, gleich- bedeutend sein müssen mit Kommunalverwaltung und Kommunalverband. Die beiden erstgenannten Begriffe haben einen selbständigen juristischen Inhalt, sie sind weiter als die beiden letzteren. Die Kommunalverwaltung ist nur eine Erscheinungsform der Selbst- verwaltung, die Kommunalverbände sind nur eine besondere Art Selbstverwaltungskörper. 1 Agl. Rosin, Offentl. Genossenschaft, bes. S. 101. Anm. 4; v. Stengel, Organisation, S. 13 u. 14; Hänel, S. 141 ff. :* So Hänel, a. a. O. Die Zwangsver- bände teilt Hänel dann wieder in „absolute“ und „relative“. Als absolute bezeichnet er die- lenigen, deren Existenz und Wirksamkeit bei dem Zusammentreffen der thatsächlichen Voraus- setzungen dergestalt als notwendige Voraus- setzung der Staatsfunktionen angesehen werden, daß weder ibre Bildung überhaupt, noch die Frage, wer denselben angehört, dem Belieben der Beteiligten anheimgegeben ist. „Relative Zwangsverbände“ nennt Hänel „solche Körper- schaften, bei denen ein Zwang zur Errichtung und zum Beitritt erst dann eintritt, wenn sich der zu erreichende Zweck als stark und verbreitet genug erweist, um die Zustimmung einer Ma- lorität zu gewinnen, die sich entweder nach Kopfzabl oder nach einer irgendwie bestimm- ten Anteilsgröße oder nach einer Kombination beider bemißt". Die wichtigsten absoluten Zwangsverbände sind im nächstfolgenden, die wichtigsten relativen Zwangsverbände im zweit- folgenden Satze des Textes aufgezäblt. Diese Hänelsche Einteilung der Selbstverwaltungs- körper beruht auf einem juristisch wichtigen Einteilungsgrunde, dem Vorhandensein bezw. Feblen der Zwangsverbandseigenschaft. Die von Blodig, S. 31 ff., neuerdings aufgestellte Unterscheidung der Selbstverwaltungskörper in „ediejenigen, welche auf dem nachbarlichen Bei- sammenwohnen, und diejenigen, welche auf der Verwandtschaft des Berufs der Mitglieder be- ruhen“, scheint dagegen für die juristische Be- trachtung unbrauchbar. Deichges. v. 28. Jan. 1848 (G. S., S. 54), #§. 11; Ges. betr. d. Ausdehnung dieses Gesetzes auf die Provinzen Schleswig-Holstein und Han- nover v. 11. April 1872 (G. S., S. 377, Art. L, 3. Fischereigesetz v. 30. Mai 1874 (6. S. 197), 8§. 9 ff. 5 Allgem. Bergges. v. 24. Juni 1865 (G. S., S. 705), 8§8. 165 ff. # Ss. 65 f. 1 * Ges. v. 6. Juli 1875 (G. S., S. 88. 23 ff. * Vgl. die vorangebende Anm. 3.