38 Zweiter Abschnitt. (8. 10.) städtischer Bedürfnisse und die Nichtexistenz eines Bürgervermögens sind nicht mehr Voraus- setzungen für die Erhebung von Kommunalsteuern, auch bedarf diese nur in wenigen Fällen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Die Handhabung der Aufsicht liegt bei den großen Gemeinden dem Bezirksrat, bei den kleinen dem Kreisausschuß ob!; sich selbst hat der Staat nur ausnahmsweise eine direkte Einwirkung auf die Gemeindeverwaltung vor- behalten: den Verkauf von Gegenständen, welche einen wissenschaftlichen oder Kunstwert haben, und die Erhebung von Kommnnalsteuern, soweit sie überhaupt genehmigungs- pflichtig, hat die Bezirksregierung zu genehmigen?; der Bürgermeister hat als Organ des Staates über die Beobachtung der Gesetze zu wachen und von Amts wegen oder auf Geheiß der Staatsverwaltungsbehörde die Ausführung solcher Beschlüsse der Stadt- verordneten zu untersagen, welche ihre Befugnisse überschreiten oder Gesetze und Staats- interessen verletzen 2; der Regierungspräsident hat das Recht der Zwangsetatisierung", und der Minister des Innern als außerordentliches Aufsichtsrecht die Befugnis, einen Ge- meinderat oder einen Gemeindevorstand vorläufig auf höchstens ein Jahr seiner Ver- richtungen zu entheben und diese besonderen Kommissarien zu übertragen.? VIII. Im engsten Zusammenhange mit der Gemeindeordnung steht das Polizei- verwaltungsgesetz gleichen Datums, welches dem Staate die ihm durch die Städteordnung von 1831 zugestandene freie Wahl der Polizeibehörden nahm. Der Bürgermeister allein ist von jetzt ab die städtische Polizeibehörde; weder der ganze Magistrat noch ein Mit- glied desselben kann fernerhin als solche fungieren. Besondere staatliche Polizeibehörden dürfen durch Beschluß des Ministers des Innern nur in denjenigen Gemeinden errichtet werden, wo sich ein Land-, Stadt= oder Kreisgericht oder eine Bezirksregierung befindet, oder welche mehr als 10,000 Einwohner haben. S. 10. VII. Die neuen preußischen Städteordnungen und die weiteren Reformbestrebungen. Die Gemeindeordnung von 1850 hat praktische Bedentung zeitlich wie räumlich nur in sehr geringem Umfange gehabt. Das Gesetz war noch nicht in der Hälfte der Städte der sechs östlichen Provinzen eingeführt, als am 19. Juni 1852 infolge der ein- getretenen Reaktion eine Sistierungsordre erging. Es folgten dann unterm 24. Mai 1853 zwei Gesetze, von denen das eine den die Grundlage der Gemeindeordnung bildenden Art. 105 der Verfassungsurkunde mit der Bestimmung, daß besondere Gesetze die Ver- tretung und Verwaltung der Gemeinden regulieren sollten, das andere die Gemeinde- ordnung selbst aufhob und bezüglich der Städte anordnete, daß die alten Städteverfassungen in Neuvorpommern und Rügen fortbestehen, für die sechs östlichen Provinzen, Westfalen und die Rheinprovinz aber neue Gesetze ergehen sollten. Infolgedessen wurden, abgesehen von dem keine erschöpfende Kodifikation des Städterechts enthaltenden Gesebe betreffend die Verfassung der Städte in Neuvorpommern und Rügen v. 31. Mai 1853, drei Städteordnungen erlassen, nämlich: unterm 30. Mai 1853 eine für die sechs östlichen Provinzen, unterm 19. März 1856 eine für die Provinz Westfalen und unterm 15. Mai 1856 eine für die Rheinprovinz. Diese drei Gesetze, welche sich ausschließlich auf die Stadtgemeinden beziehen, haben den durch die Kommnnalordnung beseitigten Unterschied zwischen Stadt= und Landgemeinden wieder zur Geltung gebracht und zugleich die Eigen- tümlichkeiten der einzelnen Landesteile Preußens angemessen berücksichtigt. Sie führen an Stelle der aus gewählten Körperschaften bestehenden Aufsichtsbehörden wieder Staats- beamte ein, erweitern die Staatsaufsicht wie die Rechte des Magistrats gegenüber den Stadtverordneten und nehmen endlich mehrere inzwischen beseitigte Vorschriften der Städteordnung von 1831 wieder auf. Im übrigen beruhen alle auf der Grundlage der Gemeindeordnung von 1850, mit welcher sie ganze Abschnitte hindurch wörtlich über- 1 G. O., §. 138. * G. O., §S. 141. * G. O., 8. 48. * G. O., §. 143. * G. O., S. 140.