Ortsgemeinden; geschichtliche Entwickelung der Ortsgemeinden. (§. 11.) 43 unmittelbare Grundlage der späteren politischen Ortsgemeinde gewesen.: Die Mehrzahl dieser Dorfgemeinden war frei und stand unabhängig neben den Gütern der Grund- herren, welche mit Hörigen besetzt waren und von diesen bebaut wurden; beide, die Gemeinden wie die Grundherren, waren in gleicher Weise königlichen Beamten unterstellt. Seit Karl dem Großen, welcher noch wiederholt Bestimmungen zum Schutze der kleinen Freien erlassen hat, trat jedoch eine wesentliche Veränderung in diesen Berhält- nissen ein. Viele kleine Besitzer, denen die auf die Heerbannspflicht gegründeten Kriegs- dienstleistungen zu drückend wurden, gaben ihre Güter in das Eigentum, sich selbst aber in den Schutz und die Hoörigkeit eines größeren Grundherrn. Andere wieder suchten gegen den Druck benachbarter Großen bei der Kirche Schutz; sie übertrugen dieser ihren Besitz, um denselben von ihr unter Borbehalt des Obereigentums als nutzbares Eigentum zurückzuerhalten. Endlich wurde ein abhängiges Besitzverhältnis dadurch herbeigeführt, daß Grundbesitzer und Kirchen Teile ihres Territoriums mit Hörigen eder freien Leuten besiedelten, zu denen sie in das Berhältnis von Grundherren traten. Die Macht dieser Grundherren wuchs durch das Privilegium der Immunität, welches sie unter den Karolingern meistens erlangten: die Gutsfeldmarken mit ihren Bewohnern wurden von der Amtsgewalt der ordentlichen königlichen Beamten eximiert, und den Gutsherren selbst wurden obrigkeitliche Rechte über ihre Hintersassen übertragen.? Die freien Bauerngemeinden verschwanden im Laufe der Zeit mehr und mehr. Die freien Bauern wurden, um sich gegen die Willkür der Großen zu schützen, die besonders bei der Rechtlosigkeit unter den späteren Karolingern stetig zunahm, immer zahlreicher in Ab- hängigkeitsverhältnisse aller Art gedrängt. Die freien Bauerngemeinden verwandelten sich so meistenteils in grundherrliche Dörfer, die sich von den auf den alten Herrenhöfen durch Besievelung entstandenen grundherrlichen Gemeinden nur dadurch unterschieden, daß in ihnen nicht wie in diesen die hörige Bevölkerung überwog, sondern ihre Angehörigen vorzugsweise freie Zinsleute waren 3; nur in einzelnen Gegenden Süd- deutschlands, in den Rheinlanden, in Westfalen, Niedersachsen, Friesland und Dith- marsen haben sich freie Bauerndörfer in größerer Anzahl erhalten. Die Organisation dieser Landgemeinden war im allgemeinen die gleiche. Das Gemeinderecht war an den Besitz eines Bauerngutes geknüpft, und die einzelnen Genossen waren, je nachdem ihr Besitztum den Umfang eines alten Bauernhofes erreichte oder nicht, in Vollbauern und Minderberechtigte (Halb-, Viertelhufner u. s. w.) eingeteilt, deren Rechte und Pflichten in der Gemeinde sich nach der Größe ihres Grundbesitzes richteten. Alle wichtigen, die Ackerflur betreffenden Rechts= und Verwaltungsangelegenheiten (An- ordnungen üÜber die Flurbestellung, Flurgrenzen, Flurpolizei u. s. w.) wurden in der aus allen vollberechtigten Genossen bestehenden Gemeindeversammlung beschlossen. Die Leitung dieser Versammlung und gleichzeitig die Beforgung der laufenden Geschäfte lag dem Vorsteher ob, der in den freien Gemeinden gewählt, in den grundherrlichen dagegen von der Herrschaft ernannt wurde. Die Gemeinden hatten seit den frühesten Zeiten das Recht der Autonomie, welche auch bei abhängigen Gemeinden nur so weit beschränkt wurde, als die Rechte des Grundherrn entgegenstanden. Die Gemeinden übten endlich im eigenen Namen bezw. in dem Namen des Grundherrn die Gerichtsbarkeit, bei welcher ras Recht von Gemeindegliedern gefunden wurde.“ II. Eine neue Epoche für die Entwickelung der ländlichen Verhältnisse brach an mit der Kolonisation der jenseits der damaligen Reichsgrenzen liegenden Gebiete des nordöstlichen Deutschlands, welche gegenwärtig größtenteils die östlichen Provinzen der preußischen Monarchie bilden. Die deutsche Kolonisation dieser rechtselbischen Länder begann um die Mitte des 12. Jahrh., durchdauerte das 13. und wurde in einzelnen Teilen des preußischen Ordenslandes und Schlesiens auch noch im 14. Jahrh. fort- gesetzt. Die Verfügung über diese weiten, nur dünn bevölkerten Länderflächen stand nach dem Rechte der Eroberung dem Reiche oder dem Deutschen Orden bezw. den von 1 Schreder S. 119, 123, 19 fl- 414 ff.; und Gierke, Rechtsgesch. der Genossenschaft, Siegel. S. 326 ff.; Schulze, I , S. 478. 88. 11- 14. 2 v. Möller, S. 4 Genzmer, S. 1. Aus- s Schröder, S. 412. führlicher ist diese Enzwickelung dar wpepell, bei v. * Schröder, S. 413; Schulze, I. S. 480. Maurer, Geschichte der Frohnhöfe, —35,