46 Zweiter Abschnitt. (F. 11.) Waldes oder der Wiese) bestehenden Gemeinschaften hatten lediglich den Charakter privat- rechtlichen Gesamteigentums.! Neben den Bauerndörfern, deren Entwickelung wir bisher hauptsächlich betrachtet haben, war noch ein zweites eigentümliches Besitzverhältnis auf dem platten Lande im nordöstlichen Deutschland zur Ausbildung gelangt, der ritterschaftliche Großgrund— besitz.? Die Entstehung desselben hängt nicht mit der Errichtung der Dörfer zusammen, sondern mit dem Bedürfnis der Landesverteidigung gegen die nördlichen und ästlichen Nachbarn. Die Gebiete, über welche der Orden, die Markgrafen oder die eingeborenen Herzöge in Pommern und Schlesien herrschten, waren an Umfang erheblich größer als die Grafschaften im westlichen Deutschland. Daher bedurften die Landesherren in den Kolonisationsgebieten einer weit größeren Militärmacht als die Grafen des Westens, welche sich mit einer kleineren Anzahl von Ministerialen begnügen konnten, die sie dauernd auf ihren Burgen hatten, denen sie Unterhalt, aber oft keinen Grundbesitz gaben. Diese militärische Macht suchten sie sich dadurch zu verschaffen und dauernd zu sichern, daß sie große Teile ihres Landes gegen die Verpflichtung zu ritterlichen Kriegsdiensten zu Lehn gaben. Die einzelnen Güter, mit deren Besitz die ritterliche Kriegsdienstpflicht verbunden war, hießen Rittergüter, auch „adelige“ oder zu „adeligen Rechten ver- liehene“ Güter, weil Ritterdienste nur von Ritterbürtigen geleistet werden konnten, ritterbürtig aber nur der Adel war. Diese Güter standen nicht unter dem Schulzen einer Landgemeinde, sondern direkt unter dem landesherrlichen Vogte, der über sie die Gerichtsbarkeit und die anderen lanresherrlichen Rechte ausübte. Als Entgelt für die Kriegsdienstlast, von welcher das Bauerngut frei war, waren die Ritterhufen befreit von Zinsen, Beden und sonstigen Abgaben, die auf dem bäuerlichen Grund und Boden lasteten. Staatliche Hoheitsrechte waren mit den Rittergütern nicht verbunden; die Besitzer derselben konnten solche weder über die eigenen Güter noch über benachbarte Landgemeinden ausüben. Im 13. und 14. Jahrh. trat in dem Verhältnis dieser Rittergüter zu den Land- gemeinden, die bisher unvermittelt nebeneinander gestanden hatten, eine erhebliche Ver- änderung ein. Die Landesherren, welche infolge der zahlreichen Kriege und Feldzüge mit immer steigenden Finanznöten zu kämpfen hatten, griffen zu außerordentlichen Mitteln, um ihre Schulden zu decken. Sie veräußerten nach und nach ihre Rechte über die Bauern an die Besitzer der Rittergüter. Diese erwarben die landesherrliche Steuer der Bede, den Hufenzins, die Zehnten, die Dienste, welche die Bauern dem Landesherrn zu leisten hatten, ferner das Patronatsrecht über die Kirchen und endlich die Gerichts- barkeit über benachbarte Gemeinden und Höfe, mit welcher nicht unerhebliche Gefälle verbunden waren. Die Rittergutsbesitzer wurden sonach mit Herrschaftsrechten aus- gestattet, und damit war das Institut der Gutsherrschaft entstanden. Die Ritter- gutsbesitzer vertraten gegenüber den ihrer Herrschaft unterworfenen Gemeinden den Landes- herrn, sie waren die eigentlichen Herren des Dorfes und seiner Bewohner, die Bauern galten als ihre Unterthanen, und daraus ergab sich nach den Anschauungen s des Mittel- alters, daß auch das Obereigentum an dem Grund und Boden, auf dem die Unter- thanen saßen, vom Landesherrn auf sie (die Rittergutsbesitzer) überging und sie so zu großen Grundherren wurden.“ Auf diese Weise entstand die Gutsherrschaft besonders in der Mark und in allen denjenigen Gebieten, in welchen die Landesherren selbst Grundherren und Obereigen- tümer der bäuerlichen Ansiedelungen geblieben waren; hier erwarben die Ritterguts- besitzer zunächst einzelne Hoheitsrechte über umliegende Dörfer, und erst als Folge der Innehabung dieser Hoheitsrechte erscheint hier ihre privatrechtliche Herrschaft über das Territorium derselben. Einen umgekehrten Entwickelungsgang, nämlich von der Grund- herrschaft aus, hat die Gutsherrschaft in den meisten Teilen des Ordenslandes, Pommerns und Schlesiens genommen. Hier hatten die Landesherren ihre Ritter nicht wie in Bornhack, Entstehung des Rittergutsbesitzes, S. 163 ff.; Keil, S. 27—32; Genzmer, 4. a. O., S. 130, u. Staatsrecht, II, S. 180.. 2—4; Knapp, Bauernbefreiung, J, S. 31; : Koin, a. a. O., S. 10—18; Fuchs, Sa. a. O.,, Schröder, S. 421. S. 18—26; Bornhack, Entstehung des Ritter- * Korn, a. a. O., S. 15 u. 18; Keil, S. 28. gutebe l. c., u. Staaterecht, II, S. 181 ffl; * Schröder, S. 422. iedel, Die Mark Brandenburg i. J. 1250, II, * Keil, S. 30; Fuchs, S. 23 ff