Ortsgemeinden; geschichtliche Entwickelung der Ortsgemeinden. (§. 11.) 47 Brandenburg mit Gütern von circa 4—6 Hufen — welche gerade hinreichend erscheinen, dem Beliehenen den Kriegsdienst zu Roß mit einigen Knechten materiell zu ermöglichen —, sondern mit großen Ländereien belehnt und ihnen selbst die Gründung von Dörfern auf diesen überlassen. Die Grundherrschaft war hier also von Anfang an in den Händen Privater, und diese wurden aus Grundherren zu Gutsherren dadurch, daß sie von den Landesherren Hoheitsrechte über ihre Kolonen, insbesondere die Gerichtsbarkeit und die Polizeigewalt erwarben, welch letztere sie meistens nicht persönlich, sondern durch die ihrerseits angesetzten Erb-- und Lehnschulzen ausübten. Der Begriff dieser Gutsherrschaft war, wie dieselbe sich auch immer entwickelt hat, im Gegensatz zu dem mehr privatrechtlichen der Grundherrschaft, lediglich öffentlich-rechtlicher Natur. Die Befugnisse, welche der Gutsherrschaft zustanden, waren im einzelnen oft verschiedene, als allgemeines Charakteristikum derselben kann nur das Recht, bäuerliche Unterthanen zu besitzen, bezeichnet werden. Dieses Recht stand bald allen Rittergütern, anderen Gütern dagegen nur ganz ausnahmsweise zu, es war daher das sicherste Kennzeichen für die Rittergutsqualität eines Besitztums, und noch heute ist der Nachweis, daß ein Gut dieses Recht auf Unterthanen früher gehabt hat, das einzige Mittel, um seine frühere kommunale Selbständigkeit festzustellen.? Die Macht dieser Gutsherrschaften wuchs Hand in Hand mit dem Verfall des Bauernstandes, der im 16. Jahrh. infolge verschiedener wirtschaftlicher und rechtlicher Vorgänge? begann und am Schlusse des Dreißigjährigen Krieges vollendet war. Neben der bereits seit Jahrhunderten bestehenden dinglichen Abhängigkeit der Bauerngüter vom Rittergute bildete sich die persönliche Erbunterthänigkeit der Bauern zu den Gutsherren heraus; sie wurde zur Grundlage des ganzen ländlichen Gemeinwesens. Freie, nicht erbunterthänige Leute und Grundstücke kamen nur vereinzelt vor. Die Besitzverhältnisse der gutsherrlichen Bauern, welche in den früheren Jahrhunderten bei den Verleihungen nach Erbzins= oder nach Kölmischem Rechte günstige, dem Eigentum ähnliche gewesen waren, hatten sich wesentlich verschlechtert. Das Erbzins= und das diesem nahe verwandte Erbpachtverhältnis, welche dem Beliehenen ein erbliches Nutzungs- recht gegen Entrichtung gewisser Abgaben gewährten", fanden sich häufiger nur noch in Niederschlesien und einzelnen Teilen der heutigen Provinz Brandenburg. Im übrigen überwog der lassitische Besitz, welcher unter ähnlichen Auflagen bloß ein beschränktes Nutzungsrecht gewährte, und zwar teils erblich, wie besonders in der Mark Branden- burg, teils nicht erblich, wie vornehmlich in Preußen, Pommern, der Ukermark, der Neu- mark und in Oberschlesien. Er war neben der damals weit verbreiteten Zeitpacht das ungünstigste bäuerliche Besitzverhältnis, indem der Lassit kein freies Verfügungsrecht über das Grundstück hatte und selbst bei erblicher Überlassung nicht ohne Einwilligung des Grundherrn seinen Nachfolger bestellen konnte. Außerdem waren diese gutsunterthänigen Bauern an ihre Scholle gebunden, mußten jede ihnen zugewiesene bäuerliche Stelle an- nehmen, durften dieselbe aber ohne Genehmigung des Gutsherrn nicht verlassen, wie sie andererseits auch nur zusammen mit dem Gute veräußert werden konnten. Ihre Grund- stücke waren mit einer staatlichen Grundsteuer belastet (daher kontribuable), welche von den herrschaftlichen nicht gezahlt wurde (daher steuerfreie genannt); später jedoch ver- wischte sich dieser Unterschied, indem die zur Feststellung der Steuer einmal aufgestellten Kataster bestehen blieben und so infolge der Besitzveränderungen steuerfreie Hufen Bestand- teile eines Bauern= und steuerpflichtige Bestandteile eines Ritterguts wurden. 1 Die Gerichtsbarkeit war zwar meistens, aber nicht immer mit der Gutsherrlichkeit ver- bunden und kann daher nicht als ein notwen- diges Attribut derselben bezeichnet werden. O. B. G., I. S. 110, VIII, S. 84. 2 Genzmer, S. 4. * Keil, S. 32 ff. * Der ünterschied zwischen Erbpacht und Erb- zinsgut besteht nach A. L. K., I, 21, §. 187 ff. bezw. I, 18, §. 680, darin, daß die 0 dem Erbpächter ein erbliches Nutzungsrecht im Umfange des Niesbrauchers an dem erpachteten Grundstück giebt (§. 199), während der Erb- zinsmann an dem Grundstück das nur mit der Abgabe belastete nutzbare Eigentum erhält und dem Verleiher nur das Obereigentum bleibt (§. 683). Daher wird auch der Erbzins nicht zur Vergeltung der Nutzungen wie die Erbpacht ge- zahlt, sondern lediglich zum Anerkenntnis des Obereigentums und kann auch nicht wie der dem gewöhnlichen Pachtzins entsprechende Erbpacht- zins wegen Unglücksfällen u. s. w. herabgesetzt und erlassen unben: 88. 747, 758; 207, 211. 5 A. L. R., I, 21, 88. 626 ff.