52 Zuveiter Abstchnitt. (8. 13.) es wird daher, sofern nicht wie in Ost- und Westpreußen die Provinzialrechte eingehendere Vorschriften hierüber enthalten, auf die oben historisch entwickelte Begriffsbestimmung zurückzugehen sein, nach welcher Rittergüter alle zu adeligen Rechten verliehene oder später mit der Rittergutseigenschast durch Staatshoheitsalt besonders ausgestattete Güter waren. Das Verhältnis der Gutsherrschaft zu ihren Unterthanen ist sehr eingehend ge— regelt.! Ersterer ist besonders zur Pflicht gemacht, die Unterthanen bei Unfällen zu schützen, ihnen Hilfe zu leisten und für die Erziehung ihrer Kinder zu sorgen, wogegen letztere ihrer Herrschaft Treue, Ehrfurcht, Gehorsam und zahlreiche Dienste und Ab- gaben schuldig sind. Die Unterthanen sind nach Landrecht noch an das Gut gebunden, welches sie ohne Genehmigung des Herrn nicht verlassen können; im übrigen sind sie jedoch freie Leute, besonders werden die Reste der Leibeigenschaft, die im strengen Sinne in Preußen immer nur vereinzelt vorkam, aufgehoben. Bezüglich des Legens der Bauern wiederholt das Allgemeine Landrecht lediglich die Vorschriften der im vorigen §. besprochenen Edikte, ohne selbst etwas Weiteres über die Abgrenzung der bäuerlichen und gutsherrlichen Feldmark festzusetzen. Die Gutsherren konnten also zwar keine Bauernstellen mehr einziehen und so den Gemeinde- bezirk verkleinern, wohl aber beliebig Vorwerksland mit bäuerlichen Wirten besetzen, was eine Vergrößerung des bäuerlichen Gemeindebezirks von selbst nach sich zog.) Es fehlte auch jetzt noch an festen, der Privatdisposition des Gutherrn entzogenen Grenzen zwischen Vorwerksland und Gemeindeland! S. 13. III. Die Zeit von der Stein-Hardenbergschen Reformgesetzgebung bis zur neuen Landgemeindeordnung. I. Die Stein-Hardenbergschen Reformen haben auf dem platten Lande zwar nicht wie in den Städten zu einer abschließenden Reorganisation der ganzen Verfassung geführt, aber sie haben in dem nach dem Tilsiter Frieden der preußischen Monarchie gebliebenen Ländergebiete die wesentlichsten Hindernisse einer gedeih- lichen Weiterentwickelung der ländlichen Verhältnisse gehoben und waren so die not- wendige Voraussetzung einer solchen. Das erste bedeutende Agrargesetz, das Edikt v. 9. Okt. 1807, betreffend „den er- leichterten Besitz und freien Gebrauch des Grundeigentums, sowie die persönlichen Ver- hältnisse der Landbewohner“ (G. S. 1806—10, S. 170), hob die ländlichen Besitz- beschränkungen auf und gab den Bauern die Freiheit ihrer Person.“ Jeder Preuße sollte fernerbin zum eigentümlichen oder Pfandbesitz unbeweglichen Eigentums jeder Art berechtigt sein. Adelige sollten Bauerngüter, Bürgerliche Rittergüter besitzen können. Die Einziehung und Zusammenschlagung der Bauerngüter sollte mit Genehmigung der Kammer der Provinz statthaft sein, sobald auf dem Gute keine Erbunterthänigkeit mehr bestand. Eine Erbunterthänigkeit konnte nicht mehr begründet werden, die bestehende wurde aufgehoben, und zwar hinsichtlich derjenigen Bauern, welche ihre Güter erblich besaßen, sofort, hinsichtlich der übrigen vom Martinitag 1810 ab. Nach diesem Tage 1 A. L. R., a. a. O., §§. 87 u. 122 ff. : Genzmer, S. 13. O. V. G., II, S. 120: Es „blieb das Recht des Gutsherrn, Vorwerks- land mit bäuerlichen Wirten zu besetzen, unge- schmälert, solange die Erbunterthänigkeit bestand. Durch die Besetzung des Vorwerkslandes mit bäuerlichen Wirten vergrößerte sich von selbst die bäuerliche Gemeinde.“ O. V. G., V, S. 120 ff.; VIII, S. 100: „Das fiskalische Land wurde bäuerliches, wie jedes andere gutsherrliche Land, wenn es vor Aufhebung der Erbunterthänig- keit vom Gutsherrn mit Bauern besetzt und so zur Erweiterung oder Neugründung von Land- gemeinden verwandt wurde.“ * Vgl. die auf S. 41 ff. angegebene Litteratur über die Bauernbefreiung. Ferner E. Meier, Die Reform u. s. w., S. 357 ff.; Genzmer, S. 13 ff. * Vgl. dazu das Publikandum v. 8. April 1809 (G. S. für 1806—10, S. 557), inhalt- lich mitgeteilt bei Genzmer, S. 16 ff.