Ortsgemeinden; das geltende Recht. (F. 45.) 177 IV. Für die Berufung und Leitung der Gemeindeversammlung sowie für die Abfassung ihrer Beschlüsse gelten fast durchweg dieselben Grundsätze wie bei der Gemeinde- vertretung. Sie werden im Folgenden gemeinschaftlich mit den Rechtsvorschriften über die letztere zur Darstellung gebracht werden. 8. 45. 3) Der rechtliche Charakter und die Zusammensetzung der Gemeindevertretung; die Rechtsstellung ihrer Mitglieder.1 Der rechtliche Charakter der ländlichen Gemeindevertretung ist genau derselbe wie der der Stadtverordnetenversammlung, die Rechtsstellung der einzelnen Gemeindeverordneten die nämliche wie die der Stadtverordneten.? Es ist daher lediglich auf die diesbezüg- lichen Ausführungen im Stadtrechte (oben S. 100 ff.) zu verweisen und die Dar- stellung hier auf die Rechtssätze über die Zusammensetzung der Gemeindevertretung zu beschränken. Die Gemeindevertretung besteht überall aus dem Gemeindevorsteher und mehreren gewählten Gemeindeverordneten. Außerdem gehören zu ihr noch in den östlichen Pro- vinzen und in Schleswig-Holstein kraft Gesetzes die Schöffen bezw. der Stell- vertreter und in der Rheinprovinz und Hannover gewisse virilstimmberechtigte Groß- grundbesitzer. Die Zahl der gewählten Gemeindeverordneten beträgt in den östlichen Provinzen mindestens 9, in Schleswig-Holstein mindestens 6, kann jedoch durch Ortsstatut bis auf 24 erhöht werden 3; in Westfalen ist sie für jede Gemeinde durch deren Statut auf 6—18"“, in Hannover desgleichen auf 8—24 5 festzusetzen, nur in der Rhein- provinz ist sie gesetzlich firiert", und zwar für Gemeinden von weniger als 1,000 Einwohnern auf 6 „ 1,000— 3,000 „ „ 12 „ 3,001—10,000 „ „ 18 „ 10,001—30,000 „ „ 24 „ mehr als 30,000 „ „30. In den drei erstgenannten Rechtsgebieten müssen mindestens zwei Drittel, in der Rhein- provinz mindestens die Hälfte der gewählten Gemeindeverordneten Grund-, bezw. in Abwesenden vertreten darf, als zulässig be- schlossen werden. L. G. O., s§s. 12—16. Die L. G. O. rh. faßt das Gemeinderecht als ein mit der Person des Berechtigten eng ver- knüpftes Recht auf, welches nicht für den Be- rechtigten durch einen anderen ausgeübt werden kann. Sie kennt daher keine Stellvertretung und schließt Personen, die nur durch solche ihr Recht ausüben könnten, Frauen, unselbständige und jur. Personen, überhaupt vom Gemeinde- recht aus. 2 Betreffs etwaiger Streitigkeiten über die Aus- übung des Stimmrechts durch Dritte vgt Zust. G., 88. 27, 28 u. 37, u. oben S. 172 unter VI. Aus den Entscheid. des O. V. G. vgl. XI, S. 100 ff. (Auf- treten zweier Bevollmächtigter für einen Wäh- ler); XIII, S. 219 (Zulässigkeit, Vollmachten in blanco auszustellen); XIII, S. 221 (Beglaubigung einer Vollmacht durch den Gemeindevorsteher, ohne daß er bei der Vollziehung zugegen war, ist nicht an und für sich rechtsungültig); nach Entsch. des R. O. H. G., V, S. 263, und Entsch. des RN. G., IV, S. 307 ist eine Vollmacht auch dann Schoen. gültig, wenn der Mandant sie nicht selbst unter- schrieben hat, die Unterschrift aber mit seinem Willen oder in seinem Auftrage erfolgte. 1 v. Möller, L., §§. 18, 19 u. 20; Grote- fend, §#§. 205, 206 u. 209. : Vgl. L. G. O. ö. u. schlesw.-holst., §. 102, Abs. 2; w., 8. 32; rh., §. 61; M. Bek. zur L. G. O. hann., §. 25. 2 L. G. O. ö., §. 49, Abs. 3. Die Zahl der Gemeindeverordneten kann hiernach durch Orts- statut auf 12, 15, 18 oder höchstens 24, nach der L. G. O. schlesw.-holst., §. 49, Abs. 3, auf 9, 12, 15, 18, 21 u. 24 erhöht werden. * L. G. O. w., §. 26, Abs. 1. « 5 L. G. O. hann., §§. 51 ff. u. dazu M. Bek., 8. 22. s L. G. O. rh., 8. 47. Eine Vermehrung oder Verminderung der Einwohnerzahl einer Gemeinde hat erst dann eine Veränderung in der Zahl der Gemeindeverordneten zur Folge, wenn aus anderen Gründen neue Wahlen vor- zunehmen sind. 12