372 Dritter Abschnitt. (8. 104.) 2) Den kreisständischen Vertretungen der neuen Provinzen wurden im wesent- lichen dieselben Befugnisse eingeräumt, welche die Kreisstände in den alten Landesteilen hatten. Sie waren berufen, a) die Kreiskorporation zu vertreten und die Kreiskommunal-- angelegenheiten unter Leitung des Landrats zu verwalten, b) die Verwaltung des Land- rats in den gesetzlich bestimmten Fällen zu unterstützen, c) über diejenigen Gegenstände zu beraten, welche ihnen durch Gesetze oder Verordnungen ausdrücklich überwiesen wurden, und endlich noch d) in Schleswig-Holstein und im Regierungsbezirk Kassel in ge- wissem Umfange die Aufsicht über die Kommunalverwaltung der einzelnen Gemeinden des Kreises zu führen. Allgemein wurde den Kreisständen das Besteuerungsrecht gegeben !,, auch wurden sie für befugt erklärt, nach Anhörung der höheren ständischen Vertretung (des Provinziallandtages bezw. in den Regierungsbezirken Kassel und Wiesbaden des Kommunallandtages) unter Genehmigung des Königs Kreisstatuten zur Ergänzung der durch Gesetz oder Verordnung bestimmten Kreisverfassung oder auch zur Regelung eigen- tümlicher Verhältnisse zu erlassen.? Die Zusammensetzung der Kreisversammlungen erfolgte in allen drei Provinzen nach dem Prinzip der Bevorzugung des Großgrundbesitzes gegenüber den Städten und Landgemeinden, im einzelnen war sie eine verschiedene. In der Provinz Hannover wurde die Kreisversammlung gebildet a) aus den in den Amtsversammlungen des Kreises virilstimmberechtigten Grundbesitzern, b) aus Abgeordneten der Städte und c) aus Abgeordneten der Landgemeinden. In der Provinz Schleswig-Holstein setzte sie sich zusammen a) aus den Besitzern größerer Güter, b) aus Abgeordneten der Städte und Flecken und c) aus Abgeordneten der Landgemeinden.“ In dem Regierungsbezirk Kassel sollte die Kreisversammlung bestehen a) aus den Besitzern von solchen im Kreise gelegenen Gütern und Waldungen, welche zu einem Grundsteuerreinertrage von min- destens 1000 Thlrn. veranlagt waren, b) aus Abgeordneten der Städte und c) aus Ab- geordneten der Landgemeinden. In dem Regierungsbezirk Wiesbaden dagegen knüpfte man an die nassauischen Bezirksräte, die gewählten Vertretungen der alten nassauischen. Amtsbezirke, an; die Kreisversammlung sollte hier bestehen aus den Bezirksräten der zu einem Kreise gehörigen Amter und außerdem aus denjenigen Besitzern der im Kreise belegenen Güter, welche jährlich mindestens 500 Gulden Grundsteuer zahlten.“ S. 104. IV. Die neueste Reformgesetzgebung. a) Die Provinzen der Kreisordnung von 1872 und der Novelle von 1881.7 I. Erst im Jahre 1869 wurde die seit 1865 liegen gebliebene Reform wieder aufgenommen. „Je mehr die Gestaltung selbstverwaltender kommunaler Körper als die wichtigste und bedeutsamste Grundreform des Staatswesens anerkannt wurde und in den Mittelpunkt des allgemeinen Interesses und der öffentlichen Diskussion trat“, um so mehr hielt die Regierung es für geboten, erst nach reiflichster Erwägung mit ihrer gesetzgeberischen Initiative hervorzutreten. Erst nach längeren Beratungen mit Ver- trauensmännern und mit Mitgliedern der verschiedensten Parteien der Häuser des Landtages legte sie am 8. Okt. 1869 auf Grund Allerhöchster Ermächtigung vom 27. Sept. desselben Jahres dem Abgeordnetenhause einen umfangreichen Entwurf einer Kreisordnung für die Provrinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien und Sachsen vor. Die vorläufige Beschränkung dieses Reformversuches 1 §6§8. 11—13 der Vdg. v. 12. Sept. 1867 für 2 §. 14 der Vdg. für Hannover. Hannover; 88. 8—10 der Vdg. v. 22. Sept. 4 §S. 11 der Vdg. für Schleswig-Holstein. 1867 für Schleswig -Holstein; §§. 4—6 der 5 S., 7 der Vdg. für den Reg. Bez. Kassel. Bdgn. v. 9. u. 26. Sept. 1867 für die Reg. Bez. s g8. 7 ff. der Vdg. für den Reg. Bez. Wies- Kassel u. Wiesbaden. baden; v. Rönne, a. a. O., S. 575, Anm. 8. 2 F. 10 der Vdg. für Hannover; S§. 7 der 7 v. Stengel, Organisation, S. 143—150. Vdg. für Schleswig-Holstein; §. 3 der Vogn. u. 171— 173. für die Reg. Bez. Kassel u. Wiesbaden.