448 Vierter Abschnitt. (8. 133.) Beschlüsse des Provinziallandtages (Kommunallandtages), welche seine Befugnisse überschreiten oder die Gesetze verletzen, hat der Oberpräsident, entstehenden Falls auf Anweisung des Ministers des Innern, unter Angabe der Gründe mit aufschiebender Wirkung zu beanstanden. Gegen die Verfügung des Oberpräsidenten steht dem Land- tage innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte zu, wobei der Landtag sich zur Wahrnehmung seiner Rechte im Verwaltungsstreitverfahren einen be- sonderen Vertreter bestellen kann. e) Die Auflösung des Provinzial-(Kommunal-)Landtages ist an besondere gesetzliche Voraussetzungen nicht geknüpft; vielmehr kann der Provinzial- landtag — in Hessen-Nassau auch jeder Kommunallandtag — stets auf Antrag des Staatsministeriums durch königliche Verordnung aufgelöst werden. Mit dem Erlasse der Auflösungsordre verlieren sämtliche Abgeordnete ihr Mandat, die von ihnen gewählten Mitglieder des Provinzial-(Landes-)Ausschusses und der Provinzial-(Bezirks-MrKommissionen bleiben jedoch bis zum Zusammentritte des neu zu bildenden Landtages in Wirksamkeit. Die Wahlen zum neuen Landtage müssen innerhalb drei Monaten und die Einberufung desselben muß innerhalb sechs Monaten vom Tage der Auflösung ab erfolgen.? §. 133. 2) Der Provinziallandtag der Provinz Posen.= Der posensche Landtag, welcher über die Kommunalangelegenheiten der Provinz „unter Vorbehalt königlicher Genehmigung und Aufsicht“ zu beschließen hat, unterscheidet sich von den Landtagen der übrigen preußischen Provinzen wesentlich durch seine ständische Zusammensetzung und die damit in Zusammenhang stehende formelle Erledigung seiner Geschäfte. I. Der Provinziallandtag besteht aus Vertretern der drei Stände, und zwar: im ersten aus den Fürsten von Thurn und Taxis, Sulkowsky und Radziwill, wegen ihrer in der Provinz gelegenen Besitzungen mit Virilstimmen, einem Vertreter der Majorats- besitzer und 22 Abgeordneten der Ritterschaft; im zweiten aus 16 Abgeordneten der Städte; im dritten aus 8 Abgeordneten der Landgemeinden.“" Der Fürst von Thurn und Taxis kann sich vertreten lassen; für den Fürsten Sulkowsky tritt im Falle perfön- licher Verhinderung ein weiterer von der Ritterschaft gewählter Abgeordneter ein. Für jeden Abgeordneten werden zwei Stellvertreter gewählt, welche nach der Zahl der er- haltenen Stimmen einzuberufen sind; der einberufene Stellvertreter bleibt, wenn der Abgeordnete während der ganzen ersten Woche einer Landtagssession nicht erscheint, für die ganze Dauer des Landtages Mitglied desselben, und der durch ihn vertretene Ab- geordnete wird zum ersten Stellvertreter. Alle Abgeordneten werden auf sechs Jahre mit der Maßgabe gewählt, daß alle drei Jahre die Hälfte der Vertreter jedes Standes ausscheidet; sie sind an Instruktionen ihrer Wähler nicht gebunden, können aber von diesen beauftragt werden, gewisse Bitten und Beschwerden auf dem Landtage vorzubringen." Die Wahlen der Ritterschaft erfolgen in 22, in Anlehnung an die Kreise be- stimmten Bezirken; im zweiten Stande wählen sieben Städte mit acht Virilstimmen?! den Begriff der Gesetzesverletzung vgl. oben von 1830, Art. XV—XVIII. Die Diäten und S. 138, Anm. 4 Reisekosten, welche Abgeordnete aller drei Stände erhalten, sind bier festgesetzt auf 9 Mark pro Tag und 5 Mark für jede Meile Hin= und Rückfahrt. Jeder Wahlbezirk und jeder Stand hat abge- sondert die Entschädigung seiner Abgeordneten aufzubringen. ' Es wählen die Stadt Posen zwei Abge- ordnete, die Städte Rawicz, Lissa, Fraustadt, Meseritz, Bromberg, Gnesen je einen Abgeord- neten. Vdg. von 1830, Art. III. 2 Prov. O., §. 122; hefs.-nass., §. 95. * Bornhack, St. R., II, S. 340 ff.; v. Stengel, in seinem Wörterbuch des Verw. R. s. v. „Posen“, §. 3 A, S. 288; Strutz, Kom- munalverbände, S. 276 ff. * Prov. O. pos., §§. 2 u. 4; Vdg. v. 15. Dez. 1830 (G. S. 1832, S. 9), Art. I—IV; im Fol- genden citiert: „Vdg. von 1830“. 5 Prov. O. pos., §. 3. 2 Prov. O., §. 118; heff.-nass., §. 91. Über * Prov. O. pos., §§. 22—24. 49, 54; Bdg. Ü