— 61 — Diese Uebung des Eintrittes der Vorstände einzelner oberster Reichsbehörden in das preußische Staatsministerium ist eine höchst zweckmäßige politische Maßnahme. Sie hat sich so bewährt, daß diese Uebung nie unterbrochen wurde bis auf den heutigen Tag. Freilich wechselte die Zahl der zu preußischen Ministern er- nannten Staatssekretäre, und es waren auch nicht immer die Vor- stände derselben Reichsämter. Regelmäßig wurde ernannt der Staatssekretär des Innern, der Staatssekretär des auswärtigen Amtes, der Staatssekretär des Reichsmarineamts, der wohl zur Ergänzung der Aufgaben des preußischen Kriegsministers für eine Vertretung der Interessen der Fiotte neben denen des Heeres berufen war. Auch der Reichsschatzsekretär findet sich häufig unter den Berufenen. dem Rücktritt des Staatsministers Delbrück, welcher gewissermaßen als alter ego des Reichskanzlers galt, und durch seine persönliche Autorität in Reichsangelegenheiten, sowie durch seine persönlichen Beziehungen zu einzelnen Mitgliedern des preußischen Staatsministeriums besonders berufen war, im Staatsministerium die Gedanken der Reichspolitik zu vertreten, auch wenn die Kompetenzfrage als solche nicht scharf um- grenzt war, mußte eine formelle Regelung derselben stattfinden. Sie ist in der Weise gefunden worden, daß den beiden hohen Staatsbeamten v. Bülow und Hofmann Sitz und Stimme im preußischen Staatsministerium gegeben worden ist, zur Bestätigung des Gedankens und als Bürgschaft für die Ausführung desselben: daß die Politik und Interessen Preußens sich niemals im Widerspruch mit denen Deutschlands befinden und nicht auf verschiedenen Wegen verfolgt werden können. Allerdings ist die Not- wendigkeit dieser Wechselbeziehung und deren Begründung längst anerkannt und durch die Stellung des Reichskanzlers nach beiden Sphären hin zugegeben und vorgesehen worden, aber doch eben vielmehr in der persönlichen Auffassung, als in formeller Regelung. Die weitere Folge der jetzigen Anordnung ist, daß dem preußischen Staats- ministerium durch die Aufnahme der beiden hohen Reichsbeamten, welche erst durch die Uebertragung des preußischen Staatsamtes in den preußischen Staatsverband getreten sind, aber wiederum nur aus Rücksicht auf ihre Reichsämter, eine gegen das Reich hin aufgeschlossene Stellung gegeben wird, wie sie den Ministerien der übrigen Parti- kularstaaten nicht eigen, durch den Hegemonieberuf Preußens aber erfordert ist. Freilich werden durch die gegenwärtige Zusammensetzung des preußischen Staats- ministeriums auch die preußischen Verhältnisse wesentlich berührt werden.“ Der Artikel führte dann noch aus, daß nunmehr die Bildung parlamentarischer Ministerien in Preußen endgültig ausgeschlossen sei. „Ein Parteiministerium ist in Preußen fortan nicht möglich, wenn einzelne gleichsam ständige Mitglieder desselben entschieden außerhalb der preußischen Parteibewegung stehen und für ihre politische Stellung andere und höhere Gesichtspunkte als maßgebend betrachten müssen.“ (Abgedruckt in Schultheß, Europäischer Geschichtskalender 1876, Nördlingen 1877, S. 14L£.)