Anhang. I Der englische Premierminister. Wenn auch in England sich im Gegensatze zum Deutschen Reich eine kollegiale Verfassung des Ministerkabinetts !) ent- wickelt hat, so bildete sich doch auch hier allmählich eine solche Steigerung der Macht des Premiers im Laufe der Jahre aus, daß heute die Stellung des englischen Premiers faktisch der des deutschen Reichskanzlers sehr ähnlich ist. Dabei ist allerdings der Unterschied, der im Wesen der englischen Par- lamentsregierung begründet ist und das Kabinett als Ausschuß der Mehrheit des Unterhauses erscheinen läßt, nicht zu über- sehen. Nichts ist für die Eigenart des englischen Staatsrechts charakte- ristischer, als daß selbst der Titel dieses allmächtigen Leiters der Regierung bis in die neueste Zeit dem geschriebenen Rechte un- bekannt war. Erst bei der Krönung Georgs V. (1911) wurde dem englischen Premierminister zum ersten Male eine hervorragende amtliche Stellung bei der feierlichen Zeremonie angewiesen, während er noch bei der Krönung Eduards VII. seinen Sitz nur unter den 1) Ueber die Geschichte und Zusammensetzung des englischen Kabinetts vgl. Hatschek, Englisches Staatsrecht, Tübingen 1906, Bd. II, S. z24ff., sıff., 57 ff.