— 71 — 1 „Ich will nicht mit Sigismund erröten.“ Obwohl er nun gegen Luther die Acht aussprach, bewilligte er ihm doch freies Geleit auf 21 Tage. 10. Auf der Wartburg. Als Luther auf der Rückreise von Worms bei Eisenach durch einen Wald fuhr, sprengten plötzlich fünf verkappte Ritter auf ihn zu, ergriffen ihn, zogen ihn aus dem Wagen und schleppten ihn mit sich in das Ge- büsch. Hier setzten sie ihn auf ein Pferd und brachten ihn auf die nahe Wartburg. Luther zog jetzt die Kleidung eines Ritters an, trug hohe Reiterstiefel, ließ sich Bart und Haupthaar wachsen und führte den Namen „Junker Georg“. Nur der Schloßhauptmann kannte ihn. Die verkappten Ritter waren nämlich von Friedrich dem Weisen geschickt, der den Geächteten auf diese Weise vor den Augen seiner Feinde zu verbergen wußte. Während man Luther tot glaubte, saß er auf der Wart- burg und fing an, die Bibel in die deutsche Sprache zu übersetzen, wo- durch er sich ein unsterbliches Verdienst um das deutsche Volk erworben hat. 11. Die Bilderstürmer. Als er etwa ein Jahr auf der Wartburg war, erhielt er die Nachricht, daß sein Freund und Amtsgenosse Karlstadt in seinem schwärme- rischen Eifer so weit ging, mit seinem Anhange die katholischen Geistlichen zu ver- treiben und Heiligenbilder und Altäre zu vernichten. Da hielt es Luther nicht mehr länger auf der Wartburg. Entrüstet eilte er nach Wittenberg und predigte acht Tage lang so eindringlich gegen Karlstadt und seine Anhänger, daß diese die Stadt verlassen mußten. 12. Melanchthon war Luthers treuester Freund und ein sehr gelehrter und frommer Mann. Er hieß eigentlich Schwarzerd und war der Sohn eines Waffen- schmieds. Auf der Schule war er der Liebling der Lehrer, und mit 21 Jahren schon wurde er Professor an der Universität zu Wittenberg. Hier schloß er eine innige und ungetrübte Freundschaft mit Luther. Er war von zarter Gestalt, schlicht, sanft und aufrichtig und stand Luther in allen Dingen treu zur Seite, besonders beförderte er durch seine Sprachkenntnisse das Werk der Bibelübersetzung. Er ist auch der Verfasser der Augsburgischen Konfession. (S. 75.) 13. Luthers Familienleben. Luthers Frau — eine ehemalige Nonne aus dem Kloster Nimbschen bei Grimma — hieß Katharina von Bora. Mit ihr lebte er in glücklicher Ehe. „Ich bin im Besitze meiner lieben Käthe reicher und glücklicher als Krösus,“ sagte er. An seinen Kindern hatte er große Freude. Aber obwohl er sie sehr lieb hatte, erzog er sie doch sehr streng. Seinem Sohne Hans, dem er jenen bekannten lieblichen Brief von dem schönen Garten schrieb, ver- weigerte er einmal drei Tage die Verzeihung. „Ich will lieber einen toten als ungeratenen Sohn haben,“ sagte er. Einst erkrankte seine innig geliebte vierzehnjährige Tochter Magdalena. Luther stand an ihrem Bette und sagte: „Ich habe sie sehr lieb; aber, lieber Gott, da es dein Wille ist, daß du sie dahinnehmen willst, so will ich sie gern bei dir wissen.“ Dann sprach er zu seinem Töchterchen: „Magdalenchen, du bleibest gern hier bei deinem Vater und ziehest auch gern hin zu jenem Vater?“ Und das kranke Kind antwortete: „Ja, Herzensvater, wie Gott will.“ Am folgenden Tage starb sie, und als sie im Sarge lag, sagte Luther: „Du liebes Kind, wie wohl ist dir geschehen! Du wirst wieder aufstehen und leuchten wie ein Stern, ja wie die Sonne.“ — Bei Tische liebte Luther heitere Unterhaltung, und wenn man abends an seinem Hause vorüberging, so hörte man darinnen anmutige Musik erklingen. Seine Kinder