1 — 138 — Volksklassen, denen sich von jetzt an seine wahrhaft väterliche Fürsorge zuwandte. Dies spricht sich besonders in der Botschaft von 1881 aus, in der er seine Wünsche für die Wohlfahrt der arbeitenden Volksklassen dem Reichstage ans Herz legte. Darin heißt es u. a.: „Wir würden mit um so größerer Befriedigung auf alle Erfolge, mit denen Gott Unsere Regierung sichtlich gesegnet hat, zurückblicken, wenn es Uns gelänge, dereinst das Bewußtsein mitzunehmen, dem Vaterlande neue und dauernde Bürgschaften seines inneren Friedens und den Hilfsbedürftigen größere Sicherheit und Ergiebigkeit des Beistandes, auf den sie An- spruch haben, zu hinterlassen. In unseren darauf gerichteten Bestrebungen sind Wir der Zu- stimmung aller verbündeten Regierungen gewiß und vertrauen auf die Unterstützung des Reichstages ohne Unterschied der Parteistellung. In diesem Sinne wird zunächst der von den verbündeten Regierungen in der vorigen Session vorgelegte Entwurf eines Gesetzes über die Versicherung der Arbeiter gegen Betriebsunfälle mit Rücksicht auf die im Reichstage stattgehabten Verhandlungen über denselben einer Umarbeitung unterzogen, um die erneute Beratung desselben vorzubereiten. Ergänzend wird ihm eine Vorlage zur Seite treten, welche sich eine gleichmäßige Organisation des gewerblichen Krankenkassen- wesens zur Aufgabe stellt. Aber auch dicjenigen, welche durch Alter oder Invalidität erwerbsunfähig werden, haben der Gesamtheit gegenüber einen begründeten Anspruch auf ein höheres Maß staatlicher Fürsorge, als ihnen bisher hat zuteil werden können.“ Und diese wohlwollenden Worte sind nicht ohne Erfolg geblieben; denn sie waren die Veranlassung, daß für den deutschen Arbeiterstand eine Versicherung gegen Unfälle und eine Kasse zur Unterstützung in Krankheitsfällen geschaffen wurde. Die Einrichtung einer Alters= und Invalidenversicherung hat zwar Kaiser Wilhelm I. nicht mehr erlebt. Aber dem in seinem Geiste wirkenden Enkel, Kaiser Wilhelm II., ist es gelungen, auch dieses Gesetz zustande zu bringen. 5. Kolonien. Schon vor 200 Jahren hatte der Große Kurfürst eine Kolonie an der Westküste Afrikas angelegt. Da sie jedoch nichts einbrachte, verkaufte sie sein sparsamer Enkel, Friedrich Wilhelm I., an die Holländer. (1720.) Was jener große Ahn geplant hatte, das kam endlich unter Wilhelm I. zustande: es wurden über- seeische Kolonien gegründet. Den Anfang machte man damit, daß 1884 ein Land- strich an der Westküste Afrikas, der sich im Besitze des Bremer Kaufmanns Lüderitz befand, unter deutschen Schutz gestellt wurde. Bald darauf folgte die Besetzung Kameruns, der Bismarckinseln, des Kaiser-Wilhelm-Landes und der Marschall- inseln. Auch die Erwerbungen der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft in Ost- afrika erhielten einen kaiserlichen Schutzbrief. b) Kaiser Wilhelms 1. Persönlichkeit und Tod. 1. Person, Leutseligkeit und Frömmigkeit. Kaiser Wilhelm war von hoher, edler Gestalt. Wer das Glück hatte, ihn zu sehen, mußte staunen über die straffe, soldatische Haltung des Heldengreises. Mit einem echt königlichen, majestätischen Wesen vereinigte er die größte Milde und Leutseligkeit. Anderen Freude zu machen, war seine Lust, und auch für Kinder hatte er oft ein freundliches Wort. Wenn er in Ems im Bade war und spazieren ging, streckten ihm die Emser Büblein nicht selten zutraulich die Rechte entgegen, die er dann mit freundlichem Lächeln herzlich schüttelte. Der Kaiser hatte ein kindlich frommes Herz. Ihn hatte das Glück nicht übermütig, der Ruhm nicht stolz gemacht. Sosschrieb er nach der Schlacht bei Sedan an seine Gemahlin, die Kaiserin Augusta: „Ich beuge mich vor Gott, der allein mich, mein Heer und meine Verbündeten ausersehen hat, das Geschehene zu vollbringen, und uns zu Werkzeugen seines Willens gemacht hat. Nur in diesem Sinne vermag