— 52 — 4. Aus diesem Straßennetze greifen wir nun weiter einige Einzelfäden heraus, um an ihnen die Natur und Bedeutung der Gebirgsstraßen noch näher zu erfassen. Wir wählen zuerst die Straße, die uns von Schwarzenberg aus aufwärts im Tale der Pöhla hin führt. Von Stufe zu Stufe stürzt sich das frische Waldwasser in steinichtem Bette nieder, und sein Ranschen wird nns zum Wanderliede. Düstrer Fichtenwald begleitet uns auf dieser Nordseite des Gebirges, bis wir die dürftigen Höhen bei den Tellerhäusern, dem höchsten Orte Sachsens (920 m), erreichen. Dort schwindet der Wald, weitgedehnte Moorwiesen ziehen sich nach Böhmen hinein, und wir pflücken Vertreter der Alpen (den schon erwähnten Tarant) auf dem Kamme. Nun wendet sich die Straße in schnellerem Falle der Talschlucht von Joachimsthal zu, an der wieder der Obstbaum den kleinen Hausgarten ziert. Lanbbäume drängen sich an die Straße vor, auf der wir endlich in die Eger- ebene des sonnigen Böhmens treten, wo die Walnuß reift und die Traube lacht. — Dann wählen wir weiter die Bergstraße, die uns aus der Gegend von Zöblitz durch das schweizerisch schöne Tal der schwarzen Pockau nach dem sächs. Hochdorfe Rcitzenhain führt. Hier ist am Kamme des Gebirges ein stattliches Kurhaus mit einer Schar kleiner Wohnhäuser errichtet worden, das im Rücken von Nadel= und Buchenwald gedeckt wird, der sich stunden- lang auf dem Kamme dehnt. Eisenqnelle, Milch und reine Höhenluft (776 m) wollen im Vereine die Kranken heilen, die diese Bergstraße aufwärts ziehen. — Als dritte Gebirgsstraße wählen wir die östlichste, die uns im Tale der Gottleuba auf den Kamm geleitet und sich am (böhm.) Sattelberge gabelt. Der westliche Arm führt uns zum (böhm.) Mückentürnuchen, von dem ans wir nicht nur die Senkung des böhmischen Kessels, sondern vor allem den gewaltigen Aufban des schönen Mittelgebirges erblicken. Der östliche Arm steigt zu den Nollendorfer Höhen auf, an deren Südfuß uns ein preußisches, österreichisches und russisches Siegesdenkmal erinnern, daß an den Gebirgshängen im harten Ringen (29. u. 30. Ang. 1813) die Franzosen überwunden wurden. So wird uns durch diese drei Bergstraßen nicht bloß der schnelle Wechsel der Pflanzen= und Bodenformen, sondern auch der Wechsel von Krankheit und Gesund- heit und der Wechsel des Kriegsglücks anschanlich vor das Auge gestellt. 5. In den letzten Jahrzehnten sind vielfach eiserne Schienen- stränge in und über das Gebirge gelegt worden. Nun braust das Dampfroß durch die stillen Täler, durchfährt die hohen Ufer- felsen, überschreitet die Flüsse auf zahlreichen Brücken (die Bahn der Roten Weißeritz ist 26 km lang und zeigt 37 Brückenaulagen), erstrebt den Kamm und senkt sich dann in Schlangenwindungen zum Egertale hinab. Während die eine der beiden westlichen Linien dem Tale der Zwickauer Mulde und Zwota, die andere