58 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. präsidium selbst im norddeutschen Reichstage jede Abänderung an den Ver- trägen auf das entschiedenste perhorreseirt hat. Es läßt sich aber auch ein weiterer Bund nicht als practisch durchführbar denken, in welchem Bayern den einen und alle Übrigen Staaten den anderen Factor bilden sollen; ja man würde es nicht einmal dem deutschen Reiche verübeln können, wenn es trotz aller im Jahr 1870 von Bayern im gemeinsamen Interesse geleisteten Bundes- hilfe unter den geänderten Verhältnissen wegen Bayerns allein die Abnor- mität eines eigenen Zollparlaments, das schon bisher nur ein Nothbehelf war, und von jetzt an vollends zur Caricatur würde, länger als bis zum Ablaufe der gegenwärtigen Vereinsperiode nicht fortdauern ließe. Am aller- wenigsten würde man aber in Berlin sich dazu verstehen, deßhalb weil es der bayerischen Kammer der Abgeordneten nicht gefallen hat, den Einigungsvertrag, welcher doch Bayern allen übrigen Staaten gegenüber eine Reihe nicht unbe- deutender Vorrechte einräumt, zu acceptiren, dem Institut des Zollparlaments noch eine weitere Fortbildung zu geben. Bayern muß entweder mit den ihm zugestandenen Prärogativen in das Reich eintreten, oder sich darauf gefaßt machen, gelegentlich auch aus dem Zollvereine scheiden zu müssen. Wenn in dem von dem Hrn. Referenten an den Ausschuß erstatteten Gutachten die Hoffnung angedeutet ist, daß Bayern im Zustand solcher Isolirung eine ver- mittelnde Rolle zwischen dem deutschen Reich und Oesterreich übernehmen könnte, so glauben wir dem entgegen, daß vielmehr seine Existenz dadurch ernstlich bedroht wäre. Nicht nur würde die Lage der von dem Gebiete des deutschen Reichs rings eingeschlossenen Pfalz auf die Länge eine uner- trägliche werden, sondern es würde auch Bayern dasjenige Land in Europa sein, welches weniger als irgend ein anderes einen ausreichenden Grund für sein Bestehen als selbständiger Staat anzuführen vermöchte, und es würde sein Gelüste dazu mindestens mit seinem wirthschaftlichen Ruine zu bezahlen haben. Die Festhaltung des deutschen Einheitsgedankens sowohl als die ge- wissenhafte Fürsorge für Bayerns Interesse legen uns die Pflicht auf, für die Annahme des Vertrags zu stimmen. Er gibt uns die Bürgschaft des Friedens und damit der gedeihlichen Entwickelung unserer wirthschaftlichen Existenz. Die Bundesverfassung wird die freiheitliche Entwickelung nicht stören, weil die im Reichstag vereinigten Vertreter des gesammten deutschen Volkes die Mittel finden werden, dieser Entwickelung Bahn zu bereiten. Bayern, für welches, wenn es den Vertrag ablehnt, eine trübe Zeit voraussichtlich herein- bricht, wird, falls es als einflußreiches Glied des deutschen Neichs an der Aus- bildung der Institutionen desselben im Sinne der Einheit und Freiheit nach Kräften mitarbeitet, von dem Beginne des neuen Reichs trotz aller jetzt ob- schwebenden Bedenken einst noch die Aera seines Wohlstandes und seiner Zu- friedenheit datiren.“ 12. Jan. (Deutsch-franz. Krieg.) Prinz Friedrich Karl nimmt Le Mans und der mit ihm operirende Großh. v. Mecklenburg dringt nordwärts von Le Mans bis St. Corneille vor. Gen. Chanch mit der franz. Westarmee zieht sich mit großen Verlusten auf Alencon und Laval zurück. „ (Deutsch-fran z. Krieg.) Die noch in Paris gebliebenen Mitglieder des diplomatischen Corps beschweren sich in einer Note an Bismarck darüber, nicht „durch eine dem Bombardement vorausgehende Ankündigung in den Stand gesetzt worden zu sein, ihre Landesangehörigen gegen die Ge- fahren derselben zu schützen“ und verlangen, „daß den anerkannten Principien und Gebräuchen des Völkerrechts gemäß Maßregeln ergriffen werden, welche ihren Landesangehörigen gestatten, sich und ihr Eigenthum in Schutz zu bringen.“