Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 107 logen haben öffentlich erklärt, den neuen Glaubenssatz nicht anzuerkennen. Mit Bewunderung und Verehrung erblicken wir in den vordersten Reihen einen Mann, der unter der Last des Alters die jugendliche Frische und Kraft er- halten hat, den von der katholischen Kirche weiland als eine Zierde hochge- feierten Gelehrten, den berühmten Lehrer so mancher Bischöfe und so vieler Priester, der die Wahrheit seiner Lehren auch jetzt noch vertheidigt, wenn gleich er die große Zahl von Bischöfen nicht mehr auf seiner Seite hat, die noch vor wenigen Monaten feierlich vor Gott und den Menschen erklärten, nach innerster Ueberzeugung und durch ihr Gewissen verpflichtet zu sein, für die Wahrheit derselben Lehren einzustehen, das Gegentheil als Irrlehre zu be- kämpfen und gegen die gewaltsamen Mittel zu protestiren, womit man eine solche Lehre durchzuselten wage. Gegen diesen Mann erhebt sich um seiner Glaubens= und Gewissenstreue die Verfolgung der Kirchenbehörde. So sind als Folgen kaum der geschaffenen neuen Glaubenslehre schon schmerzliche und Unheil verkündende Ereignisse eingetreten. Die neue Lehre ist der Verfassung des Staates gefährlich, sie macht die Bischöfe, die Nachfolger der Apostel, zu päpstlichen Commissären, zu willenlosen Vollzugsorganen der unermefßlichen päpstlichen Gewalt, vernichtet damit die Bürgschaften, welche das Concordat schuf gegen eine dem Staat feindliche Ausübung der Kirchengewalt seitens der Bischöfe, als der selbständigen Träger des apostolischen Amtes; und unlösbare Widersprüche zwischen den Pflichten des Katholiken und den Pflichten des Staatsbürgers sind die nothwendigen Folgen dieser den Schwerpunkt der Kirchengewalt vollständig verrückenden Lehre. Ein schöne und lohnende Auf- gabe der Staatsregierung Ew. königl. Majestät wird es sein, auf Grund des ihr verfassungsmäßig zustehenden Schutz= und Oberaussichtsrechts über die Kirche das weitere Eindringen und-#Vie Verbreitung einer so gefährlichen Lehre zu hindern und die bereits rdeten Rechte des Staats und der Staats- bürger sicher zu stellen. Af Ew. königlichen Majestät Staatsministerium des Innern für Kirchen= und Schulangelegenheiten wagen demnach die Unterzeich- neten die ehrfurchtsvollste Bitte „mit allen zu Gebote stehenden Mit- teln die gefährlichen Folgen dieser Lehre abzuwehren, die Verbreitung derselben in den öffentlichen Bildungsanstalten zu verbieten, und energische und rasche Fürsorge zu treffen, daß das Verhältniß zwischen Kirche und Staat auf gesetzlichem Wege neu geregelt werde.“ « 10. April. (Württemberg.) Bischof Hefele von Rottenburg unterwirft sich auch seinerseits den Beschlüssen des vaticanischen Concils, wenn auch mit einigen Einschränkungen resp. Vorbehalten: „. . . Es ist den hochw. geistlichen Amtsbrüdern bekannt, welche Stellung ich während der Verhandlungen des vaticanischen Concils eingenommen habe, und mein Gewissen hat mir hierüber noch nie den leisesten Vorwurf gemacht. Nach dem 18. Juli 1870 aber, nach vollzogener feierlicher Verkündigung der Constitution Pastor acternus, waren es zwei Hauptgedanken, die fortan mein Thun und Lassen in dieser Sache bestimmten. Für's Erste glaubte ich sorgfältigst Alles für meine eigene Person vermeiden und bei Andern verhüten zu müssen, was den Frieden und die Eintracht in der Kirche stören oder wenigstens zu solcher Störung führen könnte, und unsere Diörese ist auch in der That von inneren Zerwürfnissen und ähnlichen Erscheinungen verschont ge- blieben. Es ist aber der kirchliche Friede und die Einheit der Kirche ein so hohes Gut, daß dafür große und schwere persönliche Opfer gebracht werden dürfen. Meine andere Erwägung war folgende. Die Constitution Pastor aeternus bildet, wie bekannt, nur einen Theil Dessen, was vom vaticanischen Concil in Betreff der Lehre von der Kirche declarirt werden sollte und wollte. In dem großen den Mitgliedern des Concils vorgelegten Schema der Doctrina