IV. Das Herrenhaus. 1. Verordnung wegen Bildung der Ersten Kammer. Vom 12. Oktober 1854. (Ges.-Samml. S. 541.) Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen 2c. 2c. verordnen, im Verfolg des Gesetzes vom 7. Mai 1853 (Gesetz-Sammlung S. 181), betreffend die Bildung der Ersten Kammer, was folgt: A. Das Gesetz, betreffend die Bildung der Ersten Kammer, vom 7. Mai 1853 und — wegen des jetzigen Namens Herrenhaus — das Gesetz, betreffend die Abänderung der Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850 in Ansehung der Benennung der Kammern und der Beschlußfähigkeit der Ersten Kammer, vom 30. Mai 1855 sind mitgetheilt in Aum & zu Art. 65/68, bezw. Anm. A. zu Art. 62 der Verfassungsurkunde, oben S. 216 un 4. B. Nach Art. 1 Abs. 2 des Gesetzes vom 7. Mai 1853 soll die Erste Kammer bestehen „aus Mitgliedern, welche der König mit erblicher Berechtigung oder auf Lebenszeit beruft". Es liegt auf der Hand, daß die Verordnung vom 12. Oktober 1854 hiervon abweicht, da sie in ihren 88 4 bis 6 ganze Kategorien von Mitgliedern beruft, bei denen das Recht der Mitgliedschaft mit dem Verluste der Eigenschaft erlischt, in welcher die Präsen- tation erfolgt ist. Gleichwohl muß die Verordnung für zu Recht bestehend erachtet werden. Sie ist ordnungsmäßig verkündet, die Prüfung ihrer Rechtsgiltigkeit steht also nach Art. 106 der Verfassungsurkunde nur den Kammern zu. Im Abgeordnetenhause ist in der Sitzungsperiode von 1854/1855 ein Antrag auf Aufhebung der §8 8 bis 11 der Verordnung gestellt, in der Verfassungskommission darüber berathen worden, der von der Kommission erstattete Bericht aber nicht zur Berathung im Plenum gediehen. Seit dieser Zeit ist von dem Abgeordnetenhause das Herrenhaus stets als gleichberechtigter konstitutioneller Faktor, somit die Verordnung vom 12. Oktober 1854 per factum con- cludens als rechtsgiltig anerkannt worden. Siehe v. Schulze Bd. 1 § 159 S. 584. Schließlich ist die Differenz nur eine quantitative, nicht eine qualitative. Es ist zwar richtig, daß die Eigenschaft, in welcher die Präsentation erfolgt, in ihrer Fortdauer von zufälligen Umständen abhängt; daß ein von der Universität präsentirter Professor, der an eine andere Universität versetzt wird, ein Bürgermeister, der nicht wieder gewählt wird oder sonst sein Amt niederlegt, ein von den Verbänden des alten und befestigten Grundbesitzes präsentirtes Mitglied, welches sein Gut oder seinen Gutsantheil verkauft, damit auch aufhört, Mitglied des Herrenhauses zu sein, und daß man solche Mitglieder nicht lebens- längliche nennen kann, ohne dem Worte Zwang anzuthun. Aber auch die Berufung auf Lebenszeit schlechthin ist nur cum clausula rebus sic stantibus zu verstehen, da das Recht nrr lebenslänglichen Mitgliedschaft nicht blos unvereinbar v-•2 mit einer Ab- erkennung der bürgerlichen Ehrenrechte — unten § 9 und Strafgesetzb. 88 33, 34 —, sondern unzweifelhaft verloren geht mit dem Verluste der Preußischen Staatsangehörig- keit — Anm. B., C. zu Art. 3 der Verfassungsurkunde, oben S. 49 und unten 7 —, dessen Herbeiführung durch den Antrag auf Entlassung aus der Staatsangehörigkeit