10 I. 1. Deutschland nach dem Westphälischen Frieden. und abgeschmackt, wie das Schwert Karl's des Großen, das den böhmischen Löwen auf der Klinge trug, oder wie die Chorknaben von St. Bartholomäi, die durch ihr hellstimmiges fiat! vom hohen Chor herab im Namen der deutschen Nation die Erwählung des Weltherrschers genehmigten. Die Umbildung des altgermanischen Wahlkönigthums zur erblichen Monarchie hat den meisten Völkern Westeuropas die Staatseinheit ge- sichert. Deutschland aber blieb ein Wahlreich, und die dreihundert- jährige Verbindung seiner Krone mit dem Hause Oesterreich erweckte nur neue Kräfte des Zerfalles und des Unfriedens, denn das Kaiserthum der Habsburger war unserem Volke eine Fremdherrschaft. Abgetrennt von der Mitte Deutschlands durch das starke Slavenreich in Böhmen, hatte die alte deutsche Südostmark schon früh im Mittelalter ihres eigenen Weges gehen und sich einleben müssen in die verschlungene Politik des ungarisch-slavisch= walachischen Völkergemisches der unteren Donaulande. Sie wurde sodann durch das Haus Habsburg zum Kernlande eines mächtigen vielsprachigen Reiches erhoben, durch falsche und echte Privi- legien aller ernstlichen Pflichten gegen das deutsche Reich entbunden und erlangte bereits im sechzehnten Jahrhundert eine so wohlgesicherte Selbständigkeit, daß die Habsburger sich mit dem Plane tragen konnten ihre deutschen Erblande zu einem Königreich Oesterreich zu vereinigen. Mitten im Gewimmel fremden Volksthums bewahrten die tapferen Stämme der Alpen und des Donauthales getreulich ihre deutsche Art; sie nahmen mit ihrer frischen herzhaften Sinnlichkeit rühmlich Theil an dem geistigen Schaffen unseres Mittelalters. An dem lebensfrohen Hofe der Babenberger blühte die ritterliche Kunst; der größte Dichter unserer Staufertage war ein Sohn der Tyroler Alpen; die prächtigen Hallen von St. Stephan und St. Marien am Stiegen erzählten von dem Stolze und dem Kunstfleiß des deutschen Bürgerthums in Nieder- österreich. Alsdann wandte sich auch hier der deutsche Geist in freudigem Erwachen der evangelischen Lehre zu; in Böhmen wurde das Hussitenthum wieder lebendig, und am Ausgang des Jahrhunderts der Reformation war der größte Theil der deutsch-österreichischen Kronländer dem Glauben unseres Volkes gewonnen. Da führte der Glaubenseifer des Kaiserhauses alle Schrecken des Völkermordes über Oesterreich herauf. Unter blutigen Gräueln ward die Herrschaft der römischen Kirche durch die kaiserlichen Seligmacher wieder aufgerichtet. Was deutschen Sinnes war und dem fremden Joche sich nicht beugte, Hunderttausende der Besten vom böh- mischen Volke fanden eine neue Heimath in den Landen der evangelischen Reichsfürsten. Die daheim geblieben, verloren in der Schule der Jesuiten die Lebenskraft des deutschen Geistes: den Muth des Gewissens, den sittlichen Idealismus. Kirchlicher Druck zerstört die tiefsten Wurzeln des. Volkslebens. Der helle Frohmuth des österreichischen Deutschthums ver- flachte in gedankenloser Genußsucht, das leichtlebige Volk gewöhnte sich