16 I. 1. Deutschland nach dem Westphälischen Frieden. Domcapiteln über drei Kurhüte und zahlreiche Fürstenstühle des Reichs verfügte, in den Diensten des adelsfreundlichen Erzhauses bequeme Ver- sorgung für seine Söhne fand. Auch die Landstände der weltlichen Fürsten- thümer riefen die Hilfe des Kaisers an, wenn sie ihre habenden Frei- heiten gegen das gemeine Recht der neuernden Monarchie vertheidigten. Der katholischen Mehrheit sicher schaute die Hofburg gemächlich zu, wie die Parteien im Reiche sich an einander zerrieben, das gegenseitige Miß- trauen jeden Gedanken der Reichsreform im Keime erstickte, jede dem Kaiserthum bedrohliche Macht durch andere Mächte darnieder gehalten wurde. Die überlieferte Ehrfurcht der kleinen Fürsten vor dem Erzhause, der Neid des Nachbars gegen den Nachbarn, der Einfluß der Beichtväter auf die zahlreichen fürstlichen Convertiten, endlich die reichen Gnaden und Privilegien, womit die Hofburg ihre Getreuen belohnte, sicherten dem Kaiserhause auch an den protestantischen Höfen jederzeit einen starken Anhang; mancher fürstliche Geheime Rath erhielt geradezu den Titel eines kaiserlichen Ministers und damit den Auftrag, die Sache Oesterreichs an seinem Hofe zu vertreten. Die Kaiserwürde, werthlos in der Hand eines kleinen Herrn, bot einer Großmacht mannigfache Handhaben, den hohen Adel deutscher Nation mittelbar zu beherrschen; und dieser mächtige Ein- fluß stand einem Fürstenhause zu, das weder gewillt noch im Stande war, sich den Gesetzen des Reichs, den Pflichten deutscher Politik zu fügen. Ein gewandter Parteigänger des kaiserlichen Hauses, der Freiherr von Gemmingen, schrieb in einem unbewachten Augenblicke ehrlicher Erregung kurzab: „Das Haus Oesterreich kann nur das Oberhaupt oder der Feind des deutschen Reiches sein.“ — Neben diesen Trümmern einer verfallenen, fremden Zwecken dienen- den monarchischen Gewalt enthielt die Reichsverfassung noch die Anfänge einer bündischen Ordnung: ein Vermächtniß jener großen Reformperiode des Reichs, da Berthold von Mainz, Friedrich von Sachsen, Eitelfritz von Zollern an der Spitze unseres Fürstenstandes den kühnen Versuch gewagt hatten, das deutsche Gemeinwesen in einen kräftigen Bundesstaat zu verwandeln. Von daher stammten die Kreisordnung und der von den Reichsständen besetzte Bundesgerichtshof, das Reichskammergericht. Aber wie der Kaiser die Wirksamkeit dieses ständischen Tribunals durch die con- currirende Gewalt seines monarchischen Reichshofraths beständig schwächte, so gelang es auch der Mehrzahl der größeren Reichsfürsten, ihre Gebiete der Gerichtsbarkeit des Reichskammergerichts zu entziehen. In Schwaben, Franken und am Rhein, wo ein Gewölk von Bischöfen und Reichsrittern, Fürsten und Reichsstädten, Aebten und Grafen in wunderlichem Gemenge durcheinander hauste, genügte das Ansehen der Kreisobersten und der Kreistage noch zuweilen um die polizeiliche Ordnung nothdürftig aufrecht zu halten und die winzigen Contingente der Reichsstände zu größeren Heerkörpern zu vereinigen. Im Norden und Osten hatte die Kreis-