Das Königreich Preußen. 37 lose Unzucht der sächsischen Auguste nicht von fern heran. Den schweren niederdeutschen Naturen fehlte die Anmuth der Sünde; immer wieder, oft in hochkomischem Contraste, brach das ernsthaft nüchterne nordische Wesen durch die erkünstelten Versailler Formen hindurch. Doch die Ver— schwendung des Hofes drohte die Mittel des armen Landes zu verzehren; für ein Gemeinwesen, das sich also durch die Macht des Willens empor— gehoben über das Maß seiner natürlichen Kräfte, war nichts schwerer zu ertragen, als die schlaffe Mittelmäßigkeit. Ein Glück für Deutschland, daß die derben Fäuste König Friedrich Wilhelm's J. der Lust und Herr— lichkeit jener ersten königlichen Tage ein jähes Ende bereiteten. Der unfertige Staat enthielt in sich die Keime vielseitigen Lebens und vermochte doch mit seiner geringen Macht fast niemals, allen seinen Aufgaben zugleich zu genügen; seine Fürsten haben das Werk ihrer Väter selten in gerader Linie weitergeführt, sondern der Nachfolger trat immer in die Bresche ein, welche der Vorgänger offen gelassen, wendete seine beste Kraft den Zweigen des Staatslebens zu, welche Jener vernachlässigt hatte. Der große Kurfürst hatte sein Lebtag zu ringen mit dem An— drang feindlicher Nachbarn. Seine starke Natur verlor über den großen Entwürfen der europäischen Politik nicht jenen sorgsam haushälterischen Sinn, der den meisten seiner Vorfahren eigen war und schon in den Anfängen des Hauses an dem häufig wiederkehrenden Beinamen Oeco— nomus sich erkennen läßt; er that das Mögliche den zerstörten Wohlstand des Landes zu heben, erzog den Stamm eines monarchischen Beamten— thums, begann den Staatshaushalt nach den Bedürfnissen moderner Geldwirthschaft umzugestalten. Jedoch eine durchgreifende Reform der Verwaltung kam in den Stürmen dieser kampferfüllten Regierung nicht zu Stande; des Fürsten persönliches Ansehen und die schwerfällige alte Centralbehörde, der geheime Rath, hielten das ungestalte Bündel stän— discher Territorien nothdürftig zusammen. Erst sein Enkel zerstörte den alten ständischen Staat. König Friedrich Wilhelm I. stellte die Grundgedanken der inneren Ordnung des preußischen Staates so unverrückbar fest, daß selbst die Gesetze Stein's und Scharnhorst's und die Reformen unserer Tage das Werk des harten Mannes nur fortbilden, nicht zerstören konnten. Er ist der Schöpfer der neuen deutschen Verwaltung, unseres Beamtenthums und Offizierstandes; sein glanzlos arbeitsames Wirken ward nicht minder fruchtbar für das deutsche Leben als die Waffenthaten seines Großvaters, denn er führte eine neue Staatsform, die geschlossene Staatseinheit der modernen Monarchie, in unsere Geschichte ein. Er gab dem neuen Namen der Preußen Sinn und Inhalt, vereinte sein Volk zur Gemeinschaft politischer Pflichterfüllung, prägte den Gedanken der Pflicht für alle Zu- kunft diesem Staate ein. Nur wer den knorrigen Wuchs, die harten Ecken und Kanten des niederdeutschen Volkscharakters kennt, wird diesen