Befreiung Westpreußens. 65 raschenden Aufschwung, die deutsche Dichtung trat in ihre großen Jahre. Der Krieg hatte die Lage des Reiches zugleich vereinfacht und erschwert. Von der alten Ordnung war nichts mehr lebendig als der ungelöste Gegensatz der beiden Großmächte. Das Vorgefühl einer schweren Ent— scheidung ging durch die deutsche Welt; die kleinen Höfe beriethen in ge— schäftigen Verhandlungen, wie sie durch einen Bund der Mindermächtigen sich decken sollten, falls ein neuer Zusammenstoß „der beiden Kolosse Deutschlands“ sie zu zermalmen drohe. König Friedrich aber, gründlich belehrt über die unendliche Macht der Trägheit in diesem alten Reiche, beschied sich die erschöpften Kräfte seines eigenen Staates von Neuem zu sammeln; seine deutsche Politik zielte fortan nur dahin, jedes Einwirken fremder Mächte vom Reiche fern und dem Einfluß Oesterreichs das Gleich- gewicht zu halten. Eine schwere Gefahr, die vom Osten her der deutschen Macht drohte, riß ihn aus seinen friedlichen Plänen. Die polnische Republik war seit dem Kriege dem Willen der Czarin unterthänig, die förmliche Vereinigung des zerrütteten Staates mit dem russischen Reiche schien nur noch eine Frage der Zeit. Da entsprang aus Friedrich's Haupte der Gedanke der Theilung Polens, der die Absichten der Russen durchkreuzte, ihrem Ehr- geiz Schranken setzte. Es war ein Sieg der deutschen Politik, zugleich über Rußlands ausgreifende Ländergier und über die Westmächte, die von den dreist vorgehenden Mächten des Ostens rücksichtslos zur Seite ge- schoben wurden. Die nothwendige That eröffnete freilich die Aussicht auf unabsehbare Verwicklungen, da das verfaulte Reich des sarmatischen Adels nunmehr rettungslos dem Untergange entgegentrieb; doch sie war noth- wendig, sie rettete das treue Ostpreußen vor der Wiederkehr der mosko- witischen Herrschaft und sicherte dem Staate die Brücke zwischen dem Pregel= und dem Oderlande, welche schon der Kronprinz Friedrich als un- entbehrlich erkannt hatte. Der König erschien zum zweiten male als der Mehrer des Reichs, er schenkte das Kernland der Deutschordens-Macht, das schöne Weichselthal, das einst der deutsche Ritter den Barbaren, der deutsche Bauer der Wuth der Elemente abgerungen, dem großen Vaterlande wieder. Als die Stände von Westpreußen im Remter des Hochmeisterschlosses zu Marienburg „der wiederhergestellten Herrschaft Treue schwuren“ — wie die Denkmünze des Huldigungsfestes bezeichnend sagt — da ward gesühnt, was drei Jahrhunderte zuvor der Uebermuth der Polen und der Landesverrath der ständischen Libertät an diesem deutschen Lande gefrevelt hatten. Der halbtausendjährige Kampf der Deutschen und der Polen um den Besitz der Ostseeküste war zu Deutschlands Gunsten entschieden. Alsdann begann der Staat, der selber noch aus den Wunden des letzten Krieges blutete, die schwere Arbeit der friedlichen Wiedereroberung. Entsetzlich hatte der sarmatische Adel im Weichsellande gehaust. mit jener v. Treitschke, Deutsche Geschichte. J.