Deutscher Fürstenbund. 69 das alte reichsständisch-theokratische Deutschland aufrecht zu halten. Doch wenn er dauerte, wenn Preußen seine Führerstelle an der Spitze der großen Reichsstände behauptete, so mußten die alten Formen des Reichs— rechtes ihren Sinn verlieren; es eröffnete sich die Aussicht, das öster— reichische System in seinen Grundlagen zu erschüttern, wie Graf Hertzberg freudig ausrief, die Erzherzöge von den großen deutschen Stiftern aus— zuschließen, bei der nächsten Wahl die Kaiserkrone auf ein anderes Haus zu übertragen und die Leitung des Reichs in die Hände der mächtigsten Stände zu legen. Der junge Karl August von Weimar schlug bereits vor, jene alten Privilegien, welche dem Hause Oesterreich seine Sonderstellung sicherten, einer Prüfung von Reichswegen zu unterwerfen. Fast schien es, als sollte das große Räthsel der deutschen Zukunft in Frieden gelöst werden. Aber der Fürstenbund konnte nicht dauern; und am wenigsten der nüchterne Sinn des alten Königs hat sich diese bittere Wahrheit verborgen. Nur eine Verkettung zufälliger Umstände, nur der Abfall Kaiser Joseph's von den altbewährten Ueberlieferungen der österreichischen Staatskunst hatte die kleinen Fürsten in Friedrich's Arme hinübergescheucht; ihr Vertrauen zu Preußen reichte nicht weiter als ihre Angst vor Oesterreich. Mit äußerstem Widerstreben fügte sich Kursachsen der Führung des jüngeren und minder vornehmen Hauses Brandenburg, kaum weniger mißtrauisch zeigte sich Hannover; selbst die ergebensten und schwächsten der verbündeten Stände, Weimar und Dessau, beriethen insgeheim, so erzählt uns Goethe, wie man sich decken könne gegen die Herrschaft des preußischen Beschützers. Sobald die Hofburg ihre begehrlichen Pläne fallen ließ, mußte sich auch die alte natürliche Parteibildung wiederherstellen; die geistlichen Fürsten, die jetzt in Berlin Hilfe suchten, konnten in dem protestantischen Preußen nur den geschworenen Feind ihrer Herrschaft sehen. Weil Friedrich dies wußte, weil er mit seinem durchbohrenden Blicke den getreuen Bundes- genossen bis in Mark und Nieren schaute, darum ließ er auch durch den Erfolg des Tages sich nicht darüber täuschen, daß dieser neue schmal- kaldische Bund nur ein Nothbehelf war, nur ein Mittel zur Wahrung des augenblicklichen Gleichgewichts. Karl August entwarf in großherziger Schwärmerei kühne Pläne für den Ausbau der neuen Reichsassociation, er dachte an einen Zollverband, an Militär-Conventionen, an ein deutsches Gesetzbuch; Johannes Müller verherrlichte den Fürstenbund in schwülstigen Pamphleten, Schubart in schwungvollen lyrischen Ergüssen, und Dohm gelangte in einer geistreichen Flugschrift zu dem Schlusse: „Deutsches und preußisches Interesse können sich nie im Wege stehen.“ Den überlegenen Verstand des greisen Königs berührten solche Träume nicht; er wußte, daß nur ein ungeheurer Krieg die Herrschaft Oesterreichs im Reiche brechen konnte; ihm genügte, sie in den Schranken des Rechts zu halten, da er des Friedens für sein Land bedurfte. Für eine ernstliche Reform des Reichs fehlten noch immer alle Vor-