72 I. 1. Deutschland nach dem Westphälischen Frieden. An Friedrich's Beispiel und an den menschenfreundlichen Gedanken der neuen Aufklärung bildete sich das heranwachsende Geschlecht des hohen Adels. Auf die kleinen Sultane, die zur Zeit Friedrich Wilhelm's J. ge— haust, folgte jetzt eine lange Reihe wohlmeinender pflichtgetreuer Landes— väter, wie Karl Friedrich von Baden, Friedrich Christian von Sachsen. Schon geschah es häufiger, daß die Prinzen nach preußischer Weise eine militärische Erziehung erhielten; kirchliche Duldsamkeit, Förderung des Wohlstandes und der Schulen galten als Fürstenpflicht; einzelne Klein— staaten, wie Braunschweig, gewährten der Presse noch größere Freiheit als Preußen selber. Selbst in einigen geistlichen Gebieten trat eine Wen— dung zum Besseren ein, das Münsterland pries die milde und sorgsame Verwaltung seines Fürstenberg. Nicht überall freilich und nicht mit einem Schlage konnten die tief eingewurzelten Sünden des kleinfürstlichen Des— potismus verschwinden; die alte Unsitte des Soldatenhandels erreichte eben jetzt, während des amerikanischen Krieges, den Gipfelpunkt ihrer Ruchlosigkeit und zeigte, wessen das deutsche Kleinfürstenthum fähig war. Das fridericianische System der Völkerbeglückung von Oben führte in der Enge der Kleinstaaten oft zu leerer Spielerei oder zu erdrückender Bevormundung. Der badische Markgraf nannte seine Hofkammer kurzweg „die natürliche Vormünderin unserer Unterthanen“; mancher wohldenkende kleine Herr mißhandelte sein Ländchen durch das neumodische physiokratische Steuersystem, durch allerhand unreife philanthropische Experimente, und das fürstlich Oettingen-Oettingen'sche Landesdirectorium mußte dem wiß— begierigen Landesherrn über „Namen, Gattung, Gebrauch und äußerliche Gestalt“ sämmtlicher in fürstlichen Landen befindlichen Hunde genauen Bericht erstatten nebst beigefügtem ohnmaßgeblichen allerunterthänigsten Gutachten. Doch im Ganzen war die Fürstengeneration der achtziger Jahre die ehrenwertheste, die seit Langem auf den deutschen Thronen gesessen. Wo er nur konnte trat der König den Ausschreitungen seiner Standesgenossen entgegen, befreite den alten Moser aus dem Kerker, sicherte den Württembergern den Bestand ihrer Verfassung. Das Reich als Ganzes lag hoffnungslos darnieder, aber in vielen seiner Glieder pulste wieder ein neues hoffnungsvolles Leben. Und weit hinaus über Deutschlands Grenzen wirkte das Vorbild Friedrich'ts. Maria Theresia wurde seine gelehrigste Schülerin, sie hat den Gedanken der fridericianischen Monarchie in der katholischen Welt verbreitet. Von schwachen Nachbarn umgeben hatte das alte Oesterreich bisher sorglos und schläfrig dahingelebt; erst das Erstarken des ehrgeizigen Nebenbuhlers im Norden zwang den Kaiserstaat seine Kräfte tapfer an- zuspannen. Der Norddeutsche Haugwitz gestaltete die Verwaltung Oester- reichs, soweit es anging, nach preußischem Muster um, und von diesen österreichischen Reformen wiederum lernte der aufgeklärte Despotismus, der nunmehr in allen romanischen Landen, in Neapel und Toscana, in