Friedrich's Tod. 85 die Nachricht seines Todes kam, da rief ein schwäbisches Bäuerlein, un— zähligen Deutschen aus der Seele: „Wer soll nun die Welt regieren?“ Bis zu seinem letzten Athemzuge strömte alle Willenskraft der preußischen Monarchie von diesem einen Manne aus; der Tag seines Todes war der erste Rasttag seines Lebens. Sein Testament erzählte der Nation noch einmal, wie anders als die Hauspolitik der kleinen Höfe das politische Königthum der Hohenzollern seinen Beruf verstanden hatte: „Meine letzten Wünsche im Augenblicke meines Todes werden dem Glücke dieses Staates gelten; möge er der glücklichste der Staaten sein durch die Milde seiner Gesetze, der am gerechtesten verwaltete in seinem Haushalt, der am tapfer- sten vertheidigte durch ein Heer, das nur Ehre und edlen Ruhm athmet, und möge er blühend dauern bis an das Ende der Zeiten!“ Anderthalb Jahrhunderte waren vergangen, seit jener Friedrich Wil- helm unter den Trümmern des alten Reichs die ersten Werkstücke zu- sammensuchte für das Gebäude der neuen Großmacht. Hunderttausende preußischer Männer hatten den Heldentod gefunden, eine ungeheure Arbeit war aufgewendet um das neue deutsche Königthum zu sichern, und min- destens ein reicher Segen dieser furchtbaren Kämpfe ward im Reiche leb- haft empfunden: die Nation fühlte sich wieder daheim, als Herrin auf eigenem Boden. Ein langentbehrtes Bewußtsein der Sicherheit ver- schönte den Deutschen im Reiche das Leben; ihnen war, als sei dies Preußen von der Natur bestimmt, die Friedenswerke der Nation gegen alle fremden Störer mit seinem Schilde zu decken; ohne dies kräftige Ge- fühl bürgerlichen Behagens hätte unsere deutsche Dichtung den frohen Muth zu großem Schaffen nicht gefunden. Die öffentliche Meinung be- gann sich nach und nach mit dem Staate zu versöhnen, der wider ihren Willen emporgewachsen war; man nahm ihn hin als eine Nothwendigkeit des deutschen Lebens, ohne viel um seine Zukunft zu sorgen. Die schwere Frage: wie eine so verwegene Staatsbildung ohne die belebende Kraft des Genies sich behaupten solle? ward im vollen Ernste nur von einem Zeitgenossen aufgeworfen, von Mirabeau. Die alte und die neue Zeit begrüßten einander noch einmal freundlich, als der Tribun der nahenden Revolution kurz vor dem Tode des Königs am Tische von Sanssouci weilte. Mit der glühenden Farbenpracht seiner Rhetorik hat Mirabean dann den größten Menschen, der seinen Blicken begegnet war, geschildert; er nannte den Staat Friedrich's ein wahrhaft schönes Kunstwerk, den einzigen Staat der Gegenwart, der einen geistreichen Kopf ernstlich be- schäftigen könne, doch ihm entging nicht, daß dieser kühne Bau leider auf allzuschwachem Grunde ruhe. Von den Preußen jener Tage wurden solche Zweifel nicht verstanden; die Glorie der fridericianischen Zeit er- schien so wunderbar, daß selbst dies tadelsüchtigste aller europäischen Völker davon geblendet wurde. Für die nächste Generation ward der Ruhm Friedrich's zum Verderben; man lebte dahin in trügerischer Sicherheit