Vertrag von Reichenbach. 111 wir schließen konnten.“ Der Tod Joseph's II. wurde für Preußens deutsche Politik ebenso unheilvoll wie einst der Tod Karl's VII. Joseph's kluger Nachfolger rettete die Machtstellung Oesterreichs im Reiche, indem er die orientalischen Pläne seines Bruders aufgab; er empfing — so gestand er selber — die Kaiserkrone ohne jede Bedingung als ein großmüthiges Geschenk aus der Hand des Königs von Preußen. Oesterreichs diplo— matische Niederlage gereichte allein der Türkei und den Seemächten zum Vortheil; die Pforte wurde durch Preußens Dazwischentreten von einem gefährlichen Gegner befreit, die hartconservative orientalische Politik Eng— lands verdankte der Ueberklugheit Hertzberg's einen leichten Triumph. Der Berliner Hof aber sah binnen Kurzem die Lage der Welt zu seinem Nach— theil verändert. Die aufsässigen Kronlande wurden durch Leopold's ge— wandte Nachgiebigkeit zum Gehorsam zurückgeführt, durch seine florenti— nische Geheimpolizei in Ruhe gehalten; in Polen errang Oesterreich bald beherrschenden Einfluß; Schweden schloß einen nachtheiligen Frieden mit Rußland; England versagte offen seine Mitwirkung zu Hertzberg's polnischen Plänen. Und vor Allem, der Reichenbacher Vertrag war der Tod des Fürstenbundes, war das Ende der deutschen Politik des großen Königs. Die kleinen Fürsten traten jetzt, da sie in Berlin den stolzen, gebieterischen Willen vermißten und von Leopold's Mäßigung nichts mehr zu fürchten hatten, einer nach dem andern in ihre natürliche Parteistellung zurück; sie versöhnten sich mit Oesterreich, der Fürstenbund verschwand spurlos, nicht einmal eine ernstliche Reform der Wahlcapitulation ließ sich erreichen. Die letzte günstige Stunde, da Preußen die heillose Wirrniß der Reichs- politik vielleicht noch lichten konnte, war unwiederbringlich verloren; führer- los schwankte das unförmliche deutsche Gemeinwesen der Vernichtung durch fremde Gewalt entgegen. Karl August klagte bitter über den Schlummer- geist der Deutschen, der dies Chaos für das unantastbare Ideal einer guten Verfassung halte; und derweil im Westen schon das Unwetter heraufzog, das die gesammten alten Formen der europäischen Welt zu zerstören drohte, faßte der wohlmeinende Kurfürst von Köln die Herzenswünsche des deut- schen hohen Adels für die Zukunft des Vaterlandes in den Worten zu- sammen: „Wir brauchen einen friedlichen Kaiser, der das deutsche Wesen nothdürftig zusammenhält; aber den Kleinen muß man die Illusion lassen, als ob sie auch an der Maschine mitzögen.“ Auch dem Volke fehlte jedes Verständniß für den Ernst der Zeit. Einzelne geistreiche Publicisten, wie Georg Forster, priesen den Triumph der preußischen Staatskunst, ihre Unterlassungssünden bemerkte Niemand. Die Masse der Nation freute sich harmlos des wiederhergestellten Friedens; als der König während der Reichenbacher Verhandlungen einmal der modischen Naturschwärmerei seinen Zoll zahlte und den Gipfel der Heuscheuer erkletterte, da errich- teten ihm die treuen Schlesier droben auf dem Grenzgebirge ein Denkmal voll warmer Dankesworte: „Den Frieden wahrt sein sichrer Schild!“