Frankreich erklärt den Krieg. 125 zwischen zwei Feuern. Preußens Staatsmänner standen vor der Wahl: ob sie entweder das zerrüttete, zum Angriff kaum fähige Heer der Re— volution durch eine zähe Vertheidigung hinhalten und unterdessen mit der gesammelten Kraft des Staates die deutschen Interessen im Osten wahren oder umgekehrt die polnische Entscheidung vorläufig hinausschieben sollten um zunächst den französischen Krieg mit raschen, wuchtigen Schlägen zu beenden. Da Frankreich selber durch seine Kriegserklärung die alten Ver— träge zerrissen hatte, so durfte ein heldenhafter Sinn jetzt wohl die Hoff— nung fassen, die von König Friedrich so oft beklagten deutschen Thermo— pylen, die Vogesen, dem Reiche zurückzubringen. Was man auch wählen mochte, die Stunde drängte; es galt die ganze Macht Preußens sofort einzusetzen, mit überwältigender Schnelligkeit im Osten oder im Westen einen durchschlagenden Erfolg zu erringen. Aber das Adlerauge des großen Königs wachte nicht mehr über seinem Staate; die kleinen Leute, welche seinen Nachfolger umgaben, riethen zu dem Verkehrtesten, was ge- schehen konnte: sie begannen einen Angriffskrieg gegen das Innere Frank- reichs und verwendeten für dies gewagte Unternehmen kaum die Hälfte des preußischen Heeres. Der Krieg der ersten Coalition ging verloren durch diplomatische Fehler, nicht durch Niederlagen auf dem Schlachtfelde. Es ward ent- scheidend für seinen Verlauf, daß gerade jetzt in Wien und Berlin alle Sünden und Lügen jener gierigen ideenlosen Cabinetspolitik des acht- zehnten Jahrhunderts wieder emporkamen, welche der Gradsinn Friedrich Wilhelm's I. nicht verstanden, der Heldenstolz seines Sohnes verachtet hatte. Kaiser Leopold starb schon zu Anfang des Krieges. Sein junger Nachfolger Franz II. glaubte an das althabsburgische AEI#l mit der ganzen Starrheit eines gedankenleeren Kopfes, blieb allezeit der einfachen Ansicht, daß sein Erzhaus niemals genug Land besitzen könne; er nahm die josephinischen Eroberungspläne wieder auf, hoffte durch den fran- zösischen Krieg den Austausch von Belgien gegen Baiern zu erreichen. Auch die preußische Staatskunst zeigte nicht mehr den alten Charakter nüchterner Selbstbeschränkung; seit dem Abschluß des österreichischen Bünd- nisses ward auch sie von der unsteten Begehrlichkeit der habsburg-loth- ringischen Hauspolitik ergriffen und schweifte unsicher in's Schrankenlose statt nach guter Hohenzollernweise ein fest begrenztes Ziel mit eiserner Ausdauer zu verfolgen. Den größten Gewinn an Land und Leuten, wo es auch sei, mit den kleinsten Opfern herauszuschlagen, das war die Weis- heit der pfiffigen Ränkeschmiede Haugwitz und Lucchesini. Sie sahen ein, daß der Wiener Vertrag, welcher dem Kaiser den Beistand Preußens un- bedingt zur Verfügung stellte, eine sträfliche Thorheit gewesen, und ver- langten nun, noch ehe Oesterreich seine bairischen Pläne kundgab, zur Belohnung für die Kriegshilfe ein Stück von Polen und die pfälzischen Lande am Niederrhein; Pfalzbaiern mochte dafür im Elsaß entschädigt