128 I. 2. Revolution und Fremdherrschaft. nach Abschluß der drei Rheinfeldzüge sein Campagne-Journal heraus und schilderte bescheiden doch mit herzhaftem Selbstgefühl, wie oft er die Feinde „geschmissen“ habe; die Offiziere zogen aus dem Kampfe heim mit dem Bewußtsein rühmlicher Pflichterfüllung. Und doch führten diese drei Feld- züge, die den preußischen Fahnen so viele stattliche Einzel-Erfolge brachten, zu einem schmachvollen Frieden. Der Charakter der Kriegführung wird überall und zu allermeist in Coalitionskriegen bedingt durch die Ziele der Staatskunst, welcher sie dient; eine Politik, die sich vor dem Siege fürchtet, kann große Feldherren nicht ertragen. Die schwankende Rathlosigkeit der preußischen Politik fand in der Willensschwäche, in dem bedachtsamen Zaudern des Herzogs von Braunschweig ihren getreuen Ausdruck. König Friedrich war in den letzten Zeiten des siebenjährigen Krieges durch die erdrückende Uebermacht der Feinde zu einer Behutsamkeit gezwungen worden, die seinen Neigungen und Grundsätzen widersprach. Was ihm allein die Noth auferlegte, erschien den Generalen der Friedensjahre als die Blüthe militärischer Weisheit. Sie hielten für die Aufgabe des Feld- herrn, die Truppen in einen weiten Cordon auseinanderzuziehen, jeden irgend bedrohten Punkt zu decken, den Berg durch das Bataillon und das Bataillon durch den Berg zu sichern; jener Geist der Initiative, den Friedrich so oft für den Nerv des Kriegshandwerks erklärt hatte, ging dem friedensfrohen Geschlechte verloren. Die Künstelei dieser bedacht- samen Kriegsmethode entsprach zugleich dem Temperament des Braun- schweigers und seinen politischen Ansichten; denn er allein unter den Generalen des verbündeten Heeres fürchtete die dämonischen Kräfte der Revolution, er scheute das Wagniß der offenen Feldschlacht. Nach altösterreichischem Brauche kam von den zugesagten kaiserlichen Hilfsvölkern nur der kleinste Theil zur Stelle. Der Oberfeldherr eroberte zunächst die Festungen der Maaslinie und rückte dann, widerwillig dem Befehle des Königs gehorchend, westwärts gegen Paris vor, obgleich sein Heer viel zu schwach war um die Eroberung der feindlichen Hauptstadt versuchen zu können. Schon am 20. September fiel die Entscheidung des Feldzugs. Der Herzog wagte nicht, die Franzosen auf den Höhen von Valmy anzugreifen, sondern gab den sicheren Sieg aus der Hand und räumte darauf den französischen Boden vor den anrückenden Verstärkungen des Feindes. Mit dem Seherblick des Dichters durchschaute Goethe die Folgen dieser großen Wendung; er sagte am Wachtfeuer zu den preußi- schen Offizieren: „Am heutigen Tage beginnt eine neue Epoche der Welt- geschichte.“ Inzwischen war die Krone der Capetinger durch den Aufstand des zehnten August zerbrochen worden; aus dem gräßlichen Blutbade der Septembermorde stieg die französische Republik empor, und triumphirend konnten die Gewalthaber des neuen Frankreichs dem Convente als Braut- gabe die große Kunde bringen, daß die fridericianische Armee den Heer- schaaren der Freiheit unrühmlich den Rücken gekehrt habe.