140 I. 2. Revolution und Fremdherrschaft. trägen die Kriegspartei wieder an's Ruder, die von Preußen Waffenhilfe erwartete und, getäuscht in ihrer Hoffnung, den ruheseligen neutralen Nachbarn mit unverhohlener Geringschätzung behandelte. Immer deut- licher zeigte sich, daß ein Friede mit dem Staate der revolutionären Pro- paganda erst möglich war, wenn die alte Staatenwelt in Trümmern lag. Die Haugwitz und Alvensleben wähnten durch den Friedensschluß freie Hand zu erhalten für die polnischen Händel und mußten schließlich doch den Theilungsplan der beiden Kaiserhöfe mit geringen Aenderungen an- nehmen; denn nur als Frankreichs Bundesgenosse konnte Preußen dem herrischen Willen Thugut's und Katharina's entgegentreten, und wider ein offenes Bündniß mit der Revolution sträubte sich das Ehrgefühl des Königs wie die Thatenscheu der Mehrzahl seiner Räthe. Gleichwohl war Preußen bereits durch den Baseler Vertrag ein Mitschuldiger, ein ge- heimer Verbündeter der französischen Eroberungspolitik geworden, man wußte in Berlin, daß die Republik das linke Rheinufer behaupten wollte, man erwartete von ihrer Freundschaft Entschädigungen für die clevischen Lande und war also, wie lebhaft man sich auch gegen den Verdacht ver- wahrte, an Frankreichs Siegeswagen angekettet. Der erste Schritt führte weiter. Am 5. August 1796 wurde ein Ergän- zungsvertrag abgeschlossen, der schon bestimmte Erwerbungen in Aussicht stellte: ging das linke Ufer dem Reiche verloren, so sollte der König das Bisthum Münster erhalten und sein oranischer Schwager ebenfalls mit geistlichen Gebieten im Reiche schadlos gehalten werden. So verlor der große Gedanke der Secularisation seinen reinen Sinn; König Friedrich hatte ihn verstanden als ein Mittel zur Reform des Reichs, jetzt diente er nur noch zur Beraubung Deutschlands. Preußen gewann durch den Frieden scheinbar eine großartige Erweiterung seiner Macht. Die norddeutschen Kleinstaaten folgten rasch dem Beispiele ihres mächtigen Mitstandes. Eine Demarcationslinie wurde den Rhein entlang und dann quer durch Mittel- deutschland gezogen; hinter ihr lag der neutrale Norden, durch Preußens Waffen vor den Schrecken des Krieges behütet. Die klugen Leute in Berlin jubelten: so sei die Herrschaft des schwarzen Adlers über das gesammte Norddeutschland durch die friedlichen Künste der Diplomatie begründet. Und doch war diese glänzende Stellung nur ein nichtiger Schein. Der Rhein bildete keine haltbare Grenze, die Republik vermochte das linke Ufer nur zu behaupten wenn sie auch das rechte mittelbar oder unmittelbar beherrschte; unaufhaltsam fluthete der Krieg tief nach Oberdeutschland hinein, mehrere der süddeutschen Staaten schlossen bereits Unterwerfungs- verträge mit Frankreich, es waren die Vorboten des Rheinbundes. Im Süden wie im Westen durch Frankreich und seine Vasallen umklammert, konnte Norddeutschland seine Unabhängigkeit nur so lange bewahren, als Frankreich sich im eigenen Interesse genöthigt fand sie zu schonen. Die friedensselige Thatenscheu allein hielt das nordische Neutralitätsbündniß