142 I. 2. Revolution und Fremdherrschaft. auch diese Hoffnung trügen. Der neugewonnene Besitz verhinderte viel- mehr jahrelang jede Fortbildung der Verwaltung. Der Baseler Vertrag, der dem Könige die angesehene Stellung eines europäischen Friedensvermittlers hatte bringen sollen, bewirkte nur, daß die gesammte Staatengesellschaft sich von Preußen abwendete. An den beiden Kaiserhöfen erregte die Botschaft aus Basel leidenschaftliche Ent- rüstung; sie hielten für schwarzen Verrath was rathlose Schwäche war — ein sehr begreiflicher Irrthum, da Preußen nur noch von den Siegen der Republik Vortheil ziehen konnte. Beide Höfe blieben fest davon über- zeugt, daß Preußen mit Frankreich unter einer Decke spiele; sie trauten den Rathgebern des Königs das Aergste zu, sie glaubten im Ernste, daß Preußen auf einen Angriffskrieg sinne, insgeheim die Türken und Schweden gegen Katharina aufzustacheln suche. Thugut versammelte bereits ein Heer an der schlesischen Grenze, mahnte das russische Cabinet in unge- stümen Depeschen zum Vernichtungskriege gegen den „natürlichen Feind“, entwarf einen abenteuerlichen Plan: wie man Preußen aller seiner pol- nischen Provinzen, auch Westpreußens, berauben wolle; Suworow sollte die Russen gegen die preußische Hauptstadt führen. Die Kriegsrüstungen gegen die norddeutsche Macht brachten den rheinischen Krieg während des ganzen Sommers zum Stillstande. Erst im Herbst überzeugte man sich, daß von Preußens Schwäche nichts zu fürchten sei, und zugleich erkannte Thugut die Unmöglichkeit einer Verständigung mit der Republik. Die Erhaltung der Reichsgrenzen lag dem Gedankengange seiner harten Inter- essenpolitik fern; er war bereit das linke Rheinufer zu opfern, wenn Oesterreich die bairischen Erblande erhielte. Der Pflichten des Kaiser- thums gedachte in der Hofburg Niemand; stellte man doch dem Peters- burger Hofe ausdrücklich frei, die russischen Truppen möchten in Deutsch- land nach Gutdünken hausen und die von Oesterreich abgefallenen Reichs- stände züchtigen. Nur über die italienischen Dinge konnte man sich nicht einigen; Thugut hoffte das Gebiet der neutralen Republik Venedig zu der Lombardei hinzu zu gewinnen, während Frankreich den Schlüssel Italiens, Mailand, nicht in Oesterreichs Händen lassen wollte. Deshalb fuhren die Schwerter im Herbst 1795 abermals aus der Scheide; der Wiener Hof dachte am Rhein Venetien zu erobern. Und wie der Krieg um Italiens Willen erneuert wurde, so sollte er auch in Italien seine Entscheidung finden. Mit Rußland und England durch eine neue Tripel- Allianz fester denn je verbündet, von Pitt mit reichlichen Hilfsgeldern unterstützt, stürzte sich Thugut in den unabsehbaren Kampf. Hüben und drüben herrschte die rohe Begierde, die Verhöhnung jedes Rechtes; ob Frankreich, ob Oesterreich siegte, der Untergang des alten Völkerrechtes war gewiß. Und während dieses unheimlichen Ringens blieb der Staat neutral, dem einst Freund und Feind nachsagten, daß er die Wage des europäischen Gleichgewichts in seinen Händen haltel