160 J. 2. Revolution und Fremdherrschaft. gelangte für jetzt nicht über Berathungen im Cabinet hinaus. Die ganze Zeit schien wie verwunschen, nichts Wesentliches wollte zu Ende kommen. Die banausische Gleichgiltigkeit des Staates gegen die bildende Kunst war endlich überwunden. Er veranstaltete jetzt öffentliche Gemäldeaus— stellungen und besaß in Berlin bereits eine Schule aufstrebender Künstler von selbständiger Eigenart. Neben Langhans, dem streng antikisirenden Erbauer des Brandenburger Thores, kam Schadow's derber Realismus empor; und wenn der Wagen der schönen Königin vorfuhr, dann stand am Schlage mit dem Hute in der Hand der junge Lakai Christian Rauch, der einst die Andern alle überflügeln sollte als seine gütige Herrin ihm den Weg zu großem Schaffen geebnet hatte. Aber auch hier wieder die gleiche unheimliche Erscheinung: köstliche Kräfte, die nicht benutzt, vielver— heißende Entwürfe, die nicht vollendet wurden. Nachdem man eine Menge verschiedener Pläne berathen und wieder fallen gelassen, kam nur ein einziges größeres öffentliches Bauwerk zu Stande: die neue Münze, von Schadow mit lebenswahren, trefflichen Reliefs geschmückt, doch das Ge— bäude selber abschreckend kahl und nüchtern, ein getreues Sinnbild dieser schwunglosen Zeit. Dergestalt war auf allen Gebieten des politischen Lebens das Alte noch nicht zerstört, das Neue noch nicht entwickelt. Der Staat hatte an Charakter verloren was er an humaner Milde gewonnen, er erschien wie ein noch im Verfalle mächtiger gothischer Bau, dem zaghafte Hände da und dort ein niedliches zopfiges Thürmchen aufgesetzt hatten. Und in diesen unhaltbaren Zuständen fühlte sich das treue Volk unzweifelhaft glücklich; die kindlichen Aeußerungen der Freude, welche auf den Reisen des Landes— vaters und der Landesmutter überall, am lautesten unter den warmblütigen Franken, erklangen, kamen ebenso gewiß aus ehrlichem Herzen, wie nachher die traurigen Abschiedsbriefe der verlorenen Provinzen. Die Reformgedanken des Königs gingen über sociale Verbesserungen nicht hinaus: auch Hardenberg wünschte damals nur die Durchführung der bürgerlichen Rechtsgleichheit nach dem Vorbilde Frankreichs. Eigentlich politische Reformpläne hegte nur ein einziger Mann, der Freiherr vom Stein. Der hatte als Kammerpräsident in Westphalen die alte Gemeinde— freiheit der Grafschaft Mark kennen gelernt, aus solchen Erfahrungen und aus dem Studium der englischen Geschichte sich die Ansicht gebildet, daß eine gesunde politische Ordnung nur da bestehe, wo das Volk selber hand— anlegend das Regieren lerne. Als die altständische Verfassung in dem neu erworbenen Münsterlande aufgehoben wurde, schrieb er dem Könige'): diese Landtage, die bisher bei dem Beamtenthum nur als die Feinde jeder Reform verrufen gewesen, könnten, zweckmäßig eingerichtet, vielmehr die Stützen der Rechtsordnung werden: „Sie verhindern die willkürlichen Ab- weichungen von Verfassung und gesetzlicher Ordnung, die sich die Landes- *) Bericht an den König, Münster 30. Oct. 1804.