Krieg von 1796. 163 Die Helden der Schreckensherrschaft hatten sich einst vermessen, die Re- volution solle tiefe Furchen ziehen; und so war es geschehen, über alle Beschreibung gräßlich. In den neun Jahren seit dem Bastillesturme waren zweiundzwanzigtausend dreihundert und einunddreißig neue Gesetze über das unglückliche Frankreich dahin gestürmt, jede Brücke zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart zerstört, von allen Institutionen des bourbonischen Staates keine einzige mehr übrig außer der Pariser Akade- mie. Ein volles Drittel des französischen Bodens war seinen alten Eigen- thümern gewaltsam entrissen. Dazu mehr als 47,000 Millionen Franken entwertheten Papiergeldes, dazu die völlige Verwirrung aller Besitzverhält- nisse und die langjährige Ausbeutung des Landes durch den praktischen Communismus des Pariser Pöbels. Aller Wohlstand, alle Sicherheit des Rechtes war dahin, und dahin auch aller Adel feiner Bildung. Auf den Altären der geschändeten Kirchen thronte die Göttin der Vernunft; das geschmackvollste Volk Europas verehrte die rothe Mütze der Züchtlinge des Bagnos als das Sinnbild seiner neuen Freiheit und taufte die Tage des Kalenders auf die Namen des Schweines, des Esels und der Kartoffel. Wohl hatte die Guillotine endlich ihre entsetzliche Arbeit eingestellt, doch die grausamen Strafgesetze gegen Priester und Emigranten wurden mit unversöhnlicher Rachsucht aufrecht erhalten. Noch immer blieb die Habe und das bürgerliche Dasein von Tausenden der unberechenbaren Willkür der herrschenden Partei preisgegeben. Neun Jahre voll unerhörten Elends hatten den letzten Funken des politischen Idealismus zertreten, den Kämpfen des öffentlichen Lebens jeden Inhalt genommen; der Streit der Parteien war, wie seitdem immer in Frankreich, nur noch ein Ringen um den Besitz der Macht schlechthin. Die französische Nation verlangte nach Frieden, nach rechtlicher Sicherheit für die neue Vertheilung des Volksvermögens, nach Wiederher- stellung der alten Kirche. Ließ man sie frei gewähren, so schien die Zurück- berufung des alten Königshauses unausbleiblich, nicht weil das ermüdete Volk noch irgend ein Gefühl dynastischer Treue gehegt hätte, sondern weil die monarchische Ordnung ein Zeitalter friedlichen Wohlstandes zu ver- sprechen schien. Das Heer allein bewahrte in der allgemeinen Zerrüttung noch einige Mannszucht, in der allgemeinen Ermattung noch einigen sitt- lichen Schwung; so viele verdiente und unverdiente Erfolge hatten den kriegerischen Ehrgeiz, den Stolz auf die unbesiegte Tricolore, vornehmlich unter den jungen Generalen, wach gerufen. Durch dies Heer, die einzige geordnete und begeisterte Macht im neuen Frankreich, behaupteten die radicalen Parteien des Convents ihre Herrschaft gegen den Willen der Nation. General Bonaparte warf am 13. Vendemiaire 1795 den Auf- stand der Royalisten nieder und erzwang, daß zwei Drittel der Mitglieder des Convents in die Volksvertretung der neuen Directorialverfassung ein- traten. Damit war die Fortdauer des Krieges abermals entschieden, denn 11*