166 J. 2. Revolution und Fremdherrschaft. reichs Niederlagen, und wieder, heuchlerischer denn je zuvor, erklangen am Reichstage jene weihevollen reichsväterlichen Phrasen, womit die un— deutsche Kaisermacht ihre Hauspolitik zu bemänteln pflegte. Während in den geheimen Artikeln von Campo Formio die Verstümmelung der deut— schen Westgrenze, die Secularisation geistlichen Gebietes, die Entschädigung ausländischer Fürsten auf Kosten des Reiches ausbedungen war, sprach der veröffentlichte Wortlaut des Friedensschlusses von der unangetasteten Integrität des Reichs. Ein kaiserliches Hofdecret lud die Reichsstände zu einem Congresse nach Rastatt, damit dort „auf der Basis der Integrität Deutschlands Verfassung und Wohlfahrt zur bleibenden Wonne der fried— liebenden Menschheit auf Jahrhunderte befestigt werde“. Auf dem Rastatter Congresse traten die Gesandten der Republik als die herrischen Schieds- richter der deutschen Händel auf. An dreihundert deutsche Diplomaten waren versammelt; viele Gelehrte darunter, begierig, die große Räthsel— sammlung des Reichsrechts durch einige neue Ungeheuerlichkeiten zu be— reichern. Man warb wetteifernd durch Schmeichelei und Bestechung um die Gnade der hochmüthigen Fremden. Französische Sprache und Sitte herrschten vor; allabendlich rief das amtliche Deutschland den französischen Schauspielern Beifall, wenn sie ihre Witze über die bétes allemandes zum Besten gaben. Den österreichischen Staatsmännern fiel die Aufgabe zu, die Verabredungen von Campo Formio vor den Gesandten der Reichs- stände geheim zu halten. Das unwahre Spiel glückte eine Zeit lang, da der Kaiser durch drei Gesandtschaften, als Kaiser, als Erzherzog von Oesterreich, als König von Ungarn, vertreten war und immer der eine seiner Gesandten sich gemächlich hinter den beiden anderen verstecken konnte. Endlich mußte das unselige Geheimniß doch kund werden. Auf Weih- nachten 1797 wurde Mainz von den kaiserlichen Truppen geräumt. Die ganze hoffnungslos verworrene Lage der beiden schicksalsverwandten Na- tionen Mitteleuropas kam an den Tag, da zur nämlichen Zeit die Franzosen das unbesiegte Bollwerk des Rheinlandes besetzten und die besiegten Oester- reicher in der Stadt des heiligen Marcus einrückten. Bald darauf traten Frankreichs Bevollmächtigte in Rastatt offen mit der Forderung des linken Rheinufers heraus. Es war die erste amtliche Ankündigung der Vernich- tung des heiligen Reichs. Denn nach der patrimonialen Staatsauffassung des Reichsrechts verstand es sich von selbst, daß die Häuser der weltlichen Erbfürsten für ihre linksrheinischen Verluste entschädigt werden mußten, während man die geistlichen Wahlfürsten — in den französischen Staats- schriften erhielten sie den bezeichnenden Namen: princes usufruitiers — für ihre Nutznießungsrechte durch Pensionen abfinden konnte. Der Ge- danke einer allgemeinen Secularisation, der sich seit Jahren immer un- abwendbarer aufgedrängt hatte, erschien jetzt als das letzte Mittel die dynastischen Wünsche des deutschen Fürstenstandes zu befriedigen. Der große Beutezug des hohen Adels gegen das Kirchengut begann. Der Kaiser