168 I. 2. Revolution und Fremdherrschaft. nicht fähig war in einem Weltkriege zu vermitteln. Als darauf die Ab- tretung der Rheinlande gegen den Wunsch des Königs entschieden war, wirkten seine Diplomaten in Rastatt, wie es Preußens natürliche Politik gebot, für eine möglichst reiche Entschädigung der weltlichen Fürsten, wäh- rend der Wiener Hof den Umfang der Serularisation zu beschränken und namentlich die bewährten Stützen des habsburgischen Kaiserthums, die drei geistlichen Kurfürsten, zu schonen wünschte. Auch den bairischen Eroberungsplänen der Hofburg wurde von Berlin her scharf widersprochen. Preußen und Baiern erschienen wieder, wie einst in Friedrich's Tagen, als die Führer der anti-österreichischen Partei; doch diese Opposition wurde nicht, wie vormals, gehoben durch das stolze Bewußtsein der eigenen Kraft. Es zeigte sich bald, wie hinfällig jene scheinbar so glänzende Machtstellung war, die sich der preußische Staat durch die norddeutsche Neutralität er- rungen hatte. Seine kleinen Schützlinge fühlten schnell heraus, daß die Erfüllung ihrer begehrlichen Wünsche nur von der gewissenlosen Thatkraft der jungen Republik, nicht von der Berliner Friedensseligkeit zu erwarten sei. Frankreichs Gesandte beherrschten den Congreß; Preußen spielte in Wahrheit nur die traurige Rolle des Ersten unter den beutelustigen Klein- staaten, wagte nicht einmal den Vorschlag zu einer durchgreifenden Neu- ordnung der deutschen Verfassung. So tief war das Reich gesunken als der gefürchtete „Italiker" bei einem flüchtigen Besuche in Rastatt zum ersten male einen Blick in das deutsche Leben warf. An dem durchtriebe- nen Ränkespiele dieses unfruchtbaren Congresses hat sich Bonaparte sein Urtheil über unser Vaterland gebildet. Er durchschaute die vollendete Nichtigkeit des Reichsrechts und meinte befriedigt: wenn diese Verfassung nicht bestünde, so müßte sie zu Frankreichs Vortheil erfunden werden. Er beobachtete mit der verächtlichen Schadenfreude des Plebejers die knechtische Demüthigung des deutschen Fürstenstandes. Doch ihm entging auch nicht, daß dies Land in Folge der Haltlosigkeit seiner Territorialgewalten nur zu reif sei für die nationale Einheit; es schien ihm hohe Zeit, die kleinen Dynastien durch Befriedigung ihrer Ländergier ganz für Frankreich zu gewinnen und also das zertheilte Deutschland seines Volksthums zu be- rauben (dépayser IAllemagne). Der Rastatter Congreß wurde durch den Wiederausbruch des Krieges auseinander getrieben. Thugut hatte die Verträge von Campo Formio nur widerwillig angenommen, da er außer Venetien auch die pöäpstlichen Legationen zu erwerben hoffte. Als Frankreich sich diesem Wunsche ver- sagte und, der Abrede zuwider, auf die allgemeine Secularisation in Deutschland, das will sagen: auf die Vernichtung des alten Kaiserthums hinarbeitete, fühlte sich die Hofburg in den Grundfesten ihrer Macht be- droht; denn — so schrieb der Minister nach Petersburg — „Teutschland bestehet nicht durch Italien, sondern Italien bestehet durch Teutschland“. Währenddem erfolgten neue Gewaltthaten der französischen Staatskunst: