170 I. 2. Revolution und Fremdherrschaft. Gleichwohl sprachen überwiegende Gründe für den Zutritt Preußens zu dem Dreibunde. In der Absicht, den Fluthen der Welteroberung endlich Schranken zu setzen, stimmten die Berliner Staatsmänner mit den drei Mächten überein; Graf Haugwitz war über den Charakter der französischen Politik endlich in's Klare gekommen. Und wenn jede der verbündeten Mächte ihre Hintergedanken verfolgte, so konnte Preußen um so gewisser durch entschlossenes Handeln seine deutsche Machtstellung befestigen. Eng- land bereitete eine Landung an der holländischen Küste vor, Oesterreich versammelte seine Heere in Oberdeutschland und Italien. Warf Preußen, diesmal an seinen Ostgrenzen unbedroht, seine gesammten Streitkräfte in die weite Lücke zwischen diesen beiden Kriegsschauplätzen, so ging nach menschlichem Ermessen der ehrliche Herzenswunsch des jungen Königs, die Wiedereroberung der Rheinlande, in Erfüllung, und der siegreiche Staat erwarb sich durch deutsche Thaten die nordische Hegemonie, die er bisher nur scheinbar besaß. Es war die Schuld des Königs und seiner alters- schwachen Generale, daß die große Stunde unbenutzt blieb. Der zaudernde Fürst hielt den Augenblick der Niederwerfung der Revolution noch nicht gekommen, er wollte die Ereignisse abwarten, seine Kräfte schonen für einen möglichen letzten Schlag. Das ruheselige Norddeutschland stimmte dem kleinmüthigen Entschlusse freudig zu; seine Fürsten und Stämme segneten die Wiederkehr der Baseler Neutralitätspolitik. So begann denn ohne Preußens Zuthun der ungeheure Kampf. Die Schlacht von Abukir begründete die mediterranische Herrschaft der Briten, vereitelte Bonaparte's orientalische Pläne; Suworow's und Melas' Siege entrissen Italien den Franzosen; Erzherzog Karl drang in Ober- deutschland siegreich vorwärts, und abermals schloß sich die Bauerschaft des deutschen Südens den kaiserlichen Truppen an. Das Gebiet der Republik lag offen vor den Heeren der Coalition, aber nochmals wurde die Zwietracht der Verbündeten die Rettung Frankreichs. Der Hochmuth der russischen Heerführer erschien der Hofburg ebenso unleidlich wie die Politik des Czaren, der in Italien die Herstellung der legitimen Regierungen forderte und für sich selber nach Korfu und Malta griff. Während Thugut die Halbinsel der Herrschaft Oesterreichs zu unterwerfen trachtete, arbeitete ihm Suworow mit jedem Mittel entgegen und weigerte sich endlich geradezu, den Sieg auszubeuten und die letzte Position der Franzosen in Italien, Genua, zu erobern. Auf Englands Vorschlag wurde der große Russe von der offenen Siegesstraße hinweg nach der Schweiz gesendet und vergeudete Zeit und Kraft auf jenen heroischen Alpenmärschen, welche zwar der staunenden Welt die gewaltige Ausdauer der russischen Soldaten zeigten, aber mili- tärisch unfruchtbar blieben. Als das mit so glänzenden Hoffnungen be- gonnene Jahr 1799 sich zum Ende neigte, ging der gewaltige Dreibund in bitterem Unfrieden auseinander; der Czar rief seine Truppen heim, von einer Bedrohung des Gebietes der Republik war keine Rede mehr.