Oesterreichs Widerstand. 183 Hoffnungen. So fiel die Entscheidung über Deutschlands Zukunft un— ausbleiblich dem fremden Sieger zu, der von sich rühmte: „ich allein, ich weiß, was ich zu thun habe.“ Der Regensburger Reichstag war den schläfrigen Gewohnheiten seines gespenstischen Daseins auch während dieser argen Jahre so treu geblieben, daß ein warmherziger Reichspatriot mitten im Reichskriege alles Ernstes über die Frage schreiben konnte: womit die hohe Reichsversammlung sich in der nächsten Zeit beschäftigen solle? Das Reich genehmigte den Luneviller Frieden, und die geistlichen Stände fanden nicht den Muth ihrem eigenen Todesurtheile zu widersprechen. Dann verging fast das ganze Jahr 1801, bis Oesterreich und Preußen endlich die Bildung einer Reichsdeputation durchsetzten; nach abermals acht Monaten waren die Berathungen dieses Ausschusses noch nicht eröffnet. Der zer- rüttete Körper des heiligen Reichs besaß nicht mehr die Kraft, mit eigenen Händen seinen letzten Willen aufzusetzen; der Kampf Aller gegen Alle und die Verblendung des österreichischen Hofes verhinderten jeden Beschluß. Die Hofburg wollte noch immer nicht begreifen, daß sie selber in Luneville die geistlichen Stände preisgegeben hatte; sie versuchte Alles, die unausbleiblichen Folgen des Geschehenen rückgängig zu machen, ließ sogar eben jetzt durch ihre Anhänger einen Erzherzog auf die erledigten fürst- lichen Bischofstühle von Köln und Münster erwählen. Zugleich bewahrte sie ihren alten Widerwillen gegen jede Vergrößerung Preußens: man könne leichter, hieß es in Wien, auf drei reiche türkische Provinzen ver- zichten, als Münster und Hildesheim an die protestantische Großmacht überlassen. Und währenddem wurde der bairische Nachbar beständig durch österreichische Tausch= und Vergrößerungspläne geängstigt. Dieser Kaiser, der nicht Worte genug finden konnte um seine Entrüstung über die Ver- gewaltigung der geistlichen Stände zu bekunden, stellte dem Münchener Hofe frei, sich im Südwesten die Gebiete der benachbarten Reichsstädte, Grafen und Herren anzueignen, wenn nur Oesterreich dafür das östliche Baiern erhielte; er zuerst sprach das verhängnißvolle Wort: „Vernichtung der kleinen weltlichen Stände“ aus, während bisher amtlich nur von der Secularisation der geistlichen Staaten die Rede gewesen. Es war die Folge dieser zugleich starr conservativen und rücksichtslos begehrlichen Hal- tung des kaiserlichen Hofes, daß Preußen und Baiern sich genöthigt sahen, ihre eigenen Entschädigungen durch Sonderverträge mit Frankreich sicher zu stellen. Der preußisch-französische Vertrag enthielt den vielsagenden Satz, die Krone Preußen erwerbe ihre Entschädigungslande „mit der un- beschränkten Landeshoheit und Sonveränität auf den nämlichen Fuß, wie Se. Mazj. ihre übrigen deutschen Staaten besitzen“ — während doch das Reichsrecht eine Souveränität der Reichsstände nicht kannte. Man hielt es nicht mehr der Mühe werth, auch nur den Schein der keaiserlichen Oberhoheit zu wahren. Des Reiches ungefragt nahm Preußen sodann am August 1802 die ihm von Bonaparte zugestandenen Erwerbungen in Besitz.