188 I. 2. Revolution und Fremdherrschaft. der katholischen Partei — das war die letzte That des deutschen Kaiser- thums der Habsburg-Lothringer, der würdige Abschluß für die lange Sündengeschichte der Ferdinande und der Leopolde. 1 Im römischen Lager war der Klagen kein Ende, da mit einem male die letzten Theokratien, welche die christliche Welt außer dem Kirchenstaate noch besaß, zerschmettert wurden, und mit der politischen Macht auch der ungeheure Reichthum des deutschen Clerus dahinsank; denn nicht allein die Güter der reichsunmittelbaren geistlichen Herren verfielen der Secula- risation, sondern auch die mittelbaren Stifter und Klöster wurden durch den Reichsdeputationshauptschluß der freien Verfügung der Landesherren preisgegeben. Alle Welt glaubte, es sei zu Ende mit dem römischen Wesen im Reiche; Niemand ahnte, daß die Sercularisationen der Macht des römischen Stuhls zuletzt fast ebenso viel Gewinn als Schaden bringen sollten. Die hochadlichen Kirchenfürsten des achtzehnten Jahrhunderts waren zumeist verwöhnte Weltkinder, lässig in ihrem kirchlichen Berufe, aber durch ihr aristokratisches Standesgefühl wie durch die Pflichten der Landesherrschaft fest mit dem nationalen Staate verbunden: sie konnten, schon um des nachbarlichen Zusammenlebens willen, dem Geiste der Duldung, der dies paritätische Volk erfüllte, sich nicht gänzlich entziehen, sie befolgten den Westphälischen Frieden, den der Papst verdammte, und beugten ihren stolzen Nacken nur ungern unter den Fuß des wälschen Priesters. Der Gedanke einer deutschen Nationalkirche fand unter ihnen jederzeit einige Anhänger und zuletzt in Hontheim-Febronius einen geist- reichen Wortführer. Durch die Secularisationen wurde der Kirchendienst dem Adel verleidet; während der napoleonischen Epoche ist, so viel be- kannt wurde, kein einziger junger Edelmann aus altem Hause in ein Pfarramt eingetreten. Der neue plebejische Clerus, der nun heranwuchs, stand der bürgerlichen Gesellschaft fern; er grollte dem neuen Deutsch- land wegen des großen Kirchenraubes, er kannte keine Heimath als die Kirche und fügte sich, als späterhin die römischen Weltherrschaftspläne wieder erwachten, den Geboten des Papstes mit einem blinden Diensteifer, der für die Curie kaum weniger werthvoll war als vordem die landes- fürstliche Macht der selbstbewußten alten Prälatur. Noch weit schwerer wurde der katholische Adel getroffen. Er verlor durch die Einziehung von 720 Domherrenpfründen nicht bloß einen guten Theil seines Reichthums, sondern seine gesammte politische Machtstellung. Die letzten Trümmer einer selbständigen Aristokratie verschwanden aus dem Reiche; die Zeit war dahin, da man die Macht der westphälischen Grafen zweien Kurfürsten gleich schätzte. Es war der Fluch dieser alten Geschlechter, daß ihnen das Bewußtsein der politischen Pflicht fehlte. Gleich dem bourbonischen Hofadel, hatten sie den Vorzug ihres Standes immer nur in trägem Wohlleben gesucht und lernten niemals, nach dem Vor- bilde des altpreußischen Junkerthums, sich einzuleben in die modernen